Afghanistan

„Gott, nimm mir nicht diese letzte Hoffnung“

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Studentinnen protestieren im Internet gegen das von den Taliban angeordnete Hochschulverbot. Kritik kommt auch von UNO und anderen internationalen Organisationen.

Nach dem von den Taliban verhängten Hochschulverbot für Frauen drückten Afghaninnen in Onlinediensten unter dem Hashtag #LetHerLearn ihren Protest aus. „Das achte Semester ist vorbei, und ich habe nur noch vier Prüfungen“, schrieb die Studentin Samsama Ghasal von der Universität Kabul auf ihrem Facebook-Account. „Gott, nimm mir nicht diese letzte Hoffnung.“

Das Internet ist eine der wenigen Möglichkeiten für Afghaninnen und Afghanen, Protest zu äußern. Studentinnen schütteten auf Twitter und Facebook ihr Herz aus und beklagten, dass ihre Träume durch das Verbot geplatzt seien.

Studentinnen weinten vor versperrten Toren

„Mir war klar, dass dies eines Tages passieren würde“, schrieb Hadia Rahmani auf Facebook. „Eines Tages werden sie Frauen sogar das Gehen auf der Straße verbieten.“ Tamana Arif notierte: „Wir kamen um 6.30 Uhr zur Universität, die Burschen durften reingehen, und auf uns richteten sie Waffen und befahlen uns, nach Hause zu gehen.“ In Onlinediensten kursierten Videos von Studentinnen, die vor den Toren ihrer Universitäten weinten, nachdem bewaffnete Taliban ihnen den Zugang verweigert hatten. Eine Studentin sagte im lokalen Fernsehen: „Als ich gestern Abend die Nachrichten sah, habe ich sie bis zu 20 Mal gelesen und geweint.“

Am Dienstag hatte der Minister für höhere Bildung alle staatlichen und privaten Universitäten in einem Brief angewiesen, den „Erlass für die Suspendierung von Bildung für Frauen bis auf Weiteres umsetzen“. Vor nicht einmal drei Monaten hatten Tausende Mädchen und Frauen im ganzen Land Aufnahmeprüfungen für Universitäten absolviert. Viele von ihnen wollten Lehramt oder Medizin studieren.

Solidarität an den Unis

Aus Protest gegen die Entscheidung der Taliban kündigte ein Professor in Kunduz an, sein Amt niederzulegen. Ein Universitätslektor erklärte seinen Rücktritt live im Fernsehen. Er könne nicht weitermachen, wenn seine Schwestern nicht auf die Universitäten dürften. „Die einzige Medizin für unseren Schmerz ist Bildung“, sagte er. Auch in der Provinz Nangarhar sollen Medizinstudenten aus Solidarität mit ihren Kommilitoninnen Vorlesungen boykottiert haben.

Ex-Präsident Hamid Karzai bedauerte das Uni-Verbot für Frauen. Auf Twitter forderte er die Taliban auf, den Beschluss rückgängig zu machen. Auch der Spitzenpolitiker Abdullah Abdullah kritisierte das Verbot: „Bildung ist eines der fundamentalen und grundlegenden Rechte aller Bürger.“

UN-Generalsekretär António Guterres kritisierte wie zahlreiche internationale Organisationen das Verbot. Er betonte, dass die „Verweigerung von Bildung nicht nur die Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen verletzt, sondern auch einen fürchterlichen Einfluss auf die Zukunft des Landes haben wird“.

Öffentliche Auspeitschung

Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 sind die Rechte der Frauen an Universitäten bereits drastisch beschnitten worden: Sie mussten getrennte Eingänge benutzen, durften nicht gemeinsam mit den männlichen Studierenden in Hörsälen sitzen und wurden nur noch von Frauen oder alten Männern unterrichtet. Die radikalislamischen Taliban hatten bei ihrer erneuten Machtübernahme zunächst angekündigt, weniger hart vorgehen zu wollen als während ihrer Herrschaft von 1996 bis 2001.

Unterdessen hat das Taliban-Regime erneut mehrere verurteilte Menschen öffentlich auspeitschen lassen. In der südlichen Provinz Helmand erhielten am Mittwoch elf Männer und eine Frau zwischen zehn und 39 Peitschenhiebe, wie ein lokaler Taliban-Vertreter bestätigte. Demnach wurden die zwölf Personen unter anderem wegen Diebstahls und sogenannter moralischer Delikte nach der islamischen Rechtsauffassung verurteilt.

(AFP/DPA)

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