Morgenglosse

Selenskijs Nacht über dem Atlantik

U.S. President Biden welcomes Ukraine´s President Zelenskiy at the White House in Washington
U.S. President Biden welcomes Ukraine´s President Zelenskiy at the White House in Washington(c) REUTERS (LEAH MILLIS)
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Der ukrainische Präsident hat sich erstmals seit Kriegsbeginn aus seinem Land gewagt - in die USA. Dort mag man Heldenerzählungen. Und Wolodymyr Selenskij hatte sie im Gepäck.

In den kommenden Tagen werden Millionen von Menschen an der Ostküste der USA ihre Reisen heim zu ihren Familien antreten. Und Hunderttausende davon könnten möglicherweise statt auf der altbekannten Couch auf einem Flughafen stranden: Heftige Stürme sind in den kommenden Tagen angesagt, der Weihnachtsfriede wackelt, genauso wie die Flugpläne.

Nicht so ergeht es einem Europäer: Wolodymyr Selenskij. Der Präsident der Ukraine flog in der Nacht auf Donnerstag per US-Regierungsmaschine zurück gen Heimat über den Atlantik. Das Wort Weihnachtsfriede spielt in seiner Welt keine Rolle. Wladimir Putins russische Armee nutzt den bitterkalten Winter, um den Ukrainern das Leben weiterhin zur Hölle zu machen.

Selenskijs Transatlantikflug - seine erste Auslandsreise seit Kriegsbeginn - kam zu einem wichtigen Zeitpunkt. Seine Regierung braucht Geld, und die US-amerikanische verteilt das gerade; Ende der Woche wird in Washington, D. C. über große Budgetposten abgestimmt. Und mit seiner US-Offensive, unterstützt von Präsident Joe Biden, konnte Selenskij auch jene Seite des US-Kongresses kennenleren, die sich mittlerweile populistisch-unwillig gibt, der Ukraine einerseits Geld, andererseits amerikanische Waffen zu schicken: die Republikaner von Donald Trumps Gnaden. Unter anderem.

Eigentlich ist das alles zu viel

Der Besuch des ukrainischen Präsidenten in D. C. war historisch, genauso wie er notwendig war, geht es nach dem Drehbuch von Kiew - und dem des Weißen Hauses. Die US-Bevölkerung, bisher die größte Unterstützerin der ukrainischen Verteidigung gegen Putins Angriffskrieg, wurde zuletzt wenn schon nicht skeptisch, dann zumindest unenthusiastisch dem Kriegseinsatz gegenüber. In den USA ist die Ukraine schnell weit weg, wegen der Geografie, aber auch wegen der eigenen Probleme.

Der durchchoreografierte Akt am Mittwoch gelang. Das Echo der US-Medien und der politischen Elite in D. C. ist ehrfürchtig vor einem Mann, der sich bei seiner Rede vor dem Kongress durch und durch menschlich gab: als einer, dem das alles eigentlich zu viel ist, der macht, was er macht, weil sein Land angegriffen wurde. Diese Heldenerzählung mögen die Amerikaner. Es ist wahrscheinlich, dass sich der Erfolg von Selenskijs einmaligem Ausflug im von ihm erhofften Geldregen für die Ukraine Ende dieser Woche niederschlägt. Möglicherweise ist es die erste von 301 Nächten, jene im US-Regierungsflugzeug, in der Selenskij entspannt schlafen kann.

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