Ökologie

„SOS“ warnt, wenn unsere Gewässer gefährdet sind

Das Donaudelta in Rumänien ist eine der Modellregionen im Projekt „SOS Water“.
Das Donaudelta in Rumänien ist eine der Modellregionen im Projekt „SOS Water“.Getty Images
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Ein großes Konsortium aus Europa und Asien erstellt Maßnahmen, die das globale Wassersystem „gesund“ halten. In Laxenburg sammeln Forschende Daten aus Grund- und Oberflächenwasser sowie zu Klima und Biodiversität, um vor Kipppunkten rechtzeitig Alarm zu schlagen.

Für viele Krankheiten des Menschen gibt es Biomarker, die eine Gefährdung anzeigen. Ob Blutfettwerte oder Tumormarker – sie lassen frühzeitig erkennen, ob man auf eine Krankheit zusteuert. Ein ähnliches Ziel verfolgen Forschende vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg, aber mit Fokus auf die Natur statt auf Blutwerte. Am Beispiel des globalen Wassersystems sammeln sie Daten für Indikatoren, um den Zustand der Gewässer klar zu erkennen.

„SOS Water“ heißt das vierjährige von der EU finanzierte Projekt. „SOS“ steht für „Safe Operating Space“, also „Raum für sicheres Handeln“, weil das Konsortium Möglichkeiten schafft, „Krankheiten“ der Gewässer früh zu vermeiden. Was ein krankes Wassersystem ist, sieht man z. B. an einem „gekippten See“. Wenn das Gleichgewicht von Nährstoffen und Wasserlebewesen aus dem Ruder gerät, kann es zu Sauerstoffmangel und dem Tod der Fische und Insekten kommen. Aber auch im großen globalen System kann etwas schiefgehen. „Wir erarbeiten einen ganzheitlichen Ansatz als Nachhaltigkeitskonzept: Wir brauchen Werte, die anzeigen, wenn wir zu nahe an gefährliche Tipping Points kommen“, sagt Taher Kahil, Gruppenleiter der Water-Security-Forschung am IIASA. Solche „Kipppunkte“ sind uns nicht erst geläufig, seit Greta Thunberg davor warnt. Kahil erklärt: „Wenn bestimmte Grenzen überschritten werden, kommt es zum Tipping Point, nach dem irreversible Schäden eintreten. Es gibt kein Zurück mehr nach dem Kipppunkt.“ In dem aktuellen Projekt haben sich elf Partner aus neun Ländern zusammengetan: Österreich, Dänemark, Deutschland, Italien, Rumänien, Spanien, Niederlande, die Schweiz und Vietnam. Das asiatische Land ist im EU-Projekt dabei, um Wassersysteme in möglichst unterschiedlichen Regionen vergleichbar zu machen. Die Forschenden wählten vier Modellregionen in Europa und eine in Asien: das spanische Jucar-Becken, das Rheindelta, die obere Donau und das Donaudelta sowie das Mekong-Becken in Vietnam. „Wir vereinen neue Methoden, Modelle und Datenbanken, um die Komplexität der Wassersysteme abzubilden. Die Daten stammen aus Messungen und Erdbeobachtungen“, sagt Taher Kahil.

Die Auswirkungen können global sein

Da spielen Werte aus der Wasserwirtschaft ebenso hinein wie jene aus der Landwirtschaft, Industrie oder vom Zustand des Trinkwassers. „Wichtig ist, dass man es skalierbar macht: Die Berechnungen reichen von lokalen Phänomenen bis zu globalen mit ihrer Wirkung auf die Ökologie, den Klimawandel und sozio-ökonomische Folgen.“ Zielgruppe sind Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die Maßnahmen erwirken, um Gewässer sicher zu halten und Tipping Points zu vermeiden. Ein gekipptes Gewässer oder Wasserknappheit: All das ist vernetzt und kann zur Abnahme der Wasserqualität oder des Wasserverbrauchs in anderen Weltregionen führen.

„In Österreich ist die Datenlage sehr gut, durch die langjährigen Aufzeichnungen der ZAMG und anderen Institutionen“, sagt Taher Kahil, dessen Team ein gut verständliches Set an Indikatoren aufbaut, das Gefährdungen von Gewässern früh anzeigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2022)

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