Im serbisch-ungarischen Grenzgebiet floriert das Geschäft der Menschenschmuggler. Unter der Brutalität der Schlepper und auch der Grenzpolizisten haben besonders allein reisende Minderjährige zu leiden. Eine Reportage.
Der Nebel über der verfallenen Fabrikhalle lichtet sich nur zögerlich. Weißer Reif hat in der klirrend kalten Nacht die Müllberge vor der Industrieruine am Ortsausgang der nordserbischen Provinzstadt Sombor überzogen. Bibbernd versuchen sich zwei übernächtigte Jugendliche an einem kokelnden Feuer zu wärmen. Sie seien aus Syrien und könnten kein Englisch, so ihre Auskunft auf Arabisch. Schulterzuckend weist ein bärtiger Jemenite auf einen Pfad, der durch das Gestrüpp zu einer heruntergekommenen Lagerhalle führt: „Vielleicht findest du in dem Hangar jemanden, der mit dir sprechen kann.“ Ein abgehärmter junger Mann mit müdem Blick stellt sich als Hasan und Lehrer aus der nordsyrischen Kurdenhochburg Qamishli vor. „Bei uns ist Krieg“, erklärt der Ökonom. Deshalb habe er vor 90 Tagen seine Heimat in Richtung Deutschland verlassen. Im Norden Syriens hat die Türkei in den vergangenen Monaten die Angriffe verstärkt. Er wolle ein „anderes, normales Leben“, sagt der schlaksige Kurde: „Aber der Weg ist schwer, sehr schwer.“
Den größten Andrang an den EU-Außengrenzen seit der Flüchtlingskrise von 2015/2016 vermeldet die EU-Grenzschutzbehörde Frontex: Fast die Hälfte der 308.000 in den ersten zehn Monaten des Jahres registrierten illegalen Einreisen in die EU sei über die Balkanroute erfolgt. Laut Serbiens Flüchtlingskommissariat ist die Zahl der registrierten Transitmigranten bis Dezember um über 100 Prozent auf 116.312 gestiegen. Den meisten von ihnen ist mittlerweile die Weiterreise geglückt. Neben den rund 5200 Menschen, die sich derzeit offiziell in Serbiens völlig überfüllten Auffanglagern aufhalten, biwakieren im Grenzgebiet zu Ungarn bis zu 3000 Menschen in Privatquartieren, verlassenen Ruinen oder unter freiem Himmel.