Migration

Mit der Staatsbürgerschaft bekommt man Vaterland

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Soll die Staatsbürgerschaft wirklich ein Instrument der Integration sein? Oder ist sie die „Krönung“ eines längeren Prozesses?

DER AUTOR

Hans Winkler war langjähriger
Leiter der Wiener Redaktion der
„Kleinen Zeitung“.

Ich will Euch sagen, wie das zugeht – Ja,
Der Österreicher hat ein Vaterland,
Und liebts, und hat auch Ursach, es zu lieben“.

So lässt es Friedrich Schiller im „Wallenstein“ seinen Titelhelden in einem berühmt gewordenen Zitat sagen. Es ist die Antwort, die Wallenstein dem schwedischen Oberst Wrangel gibt, der ihn entgeistert gefragt hatte:
„Herr Gott im Himmel! Hat man hierzulande
Denn keine Heimat, keinen Herd und Kirche?“

Gemeint war das Heer mit Soldaten aus aller Herren Länder, das Wallenstein befehligte und das mit Österreich, in dessen Namen es kämpfte, nur wenig zu tun hatte.


„Vaterlandslose Gesellen“ hat Otto von Bismarck die Sozialdemokraten und Kommunisten wegen ihrer internationalistischen Gesinnung genannt. Klassensolidarität sei ihnen wichtiger als die Verbundenheit mit ihrer Heimat. Über ein Jahrhundert später hat ein deutscher Sozialdemokrat, Wolfgang Thierse, der erste Präsident des Deutschen Bundestag, der aus der Ex-DDR stammte, diesen Heimatgedanken auf andere Weise wiederbelebt.

Thierse gehört der SPD an und ist katholisch, eine eher seltene Kombination in einer deutschen Biografie. In einem großen Text in der „Frankfurter Allgemeinen“ mit dem paradigmatischen Titel „Das Fremde und das Eigene“ schrieb er, die Integration sei eine Aufgabe „wesentlich kultureller Art“. Man müsse eine Vorstellung davon haben, „wo hinein die zu uns Kommenden integriert werden sollen“. Schon mit dieser Wortwahl setzt er sich in Widerspruch zur gängigen Auffassung, in der überhaupt erst durch den Prozess der Integration ein Gemeinsames entsteht. Es ist auch eine Ablehnung des in Deutschland geschaffenen Konzepts des „Verfassungspatriotismus“ (Dolf Sternberger), der als eine Minimalform der Identifizierung mit der neuen Heimat nicht mehr verlangt als Gesetzestreue.

Mit einer solchen Auffassung steht Thierse allein auf weiter Flur, er verteidigt sie aber beherzt: „Diese Frage erzeugt nicht selten Reaktionen zwischen Irritation und Unsicherheit, zwischen Trotz und Verschämtheit. Als sei schon der Hinweis etwas Unziemliches und Integrationsfeindliches, dass unsere Kultur christlich geprägt ist. Man dient aber der Integration nicht, wenn man sich selbst verleugnet und nur noch Interkulturalität für zeitgemäß und legitim hält.“ Thierses Kerngedanke ist, dass ein Immigrant in die Geschichte des Landes einwandert und diese zu seiner machen muss. Explizit ist damit auch der Holocaust gemeint, was etwa für muslimische Einwanderer keinesfalls selbstverständlich ist, von ihnen aber verlangt werden müsse.

Dass jemand ein Vaterland hat, schien Bismarck und ist auch Thierse selbstverständlich. In der modernen Staatenwelt findet die Zugehörigkeit zu einem solchen Vaterland ihren Ausdruck im Rechtsinstitut der Staatsbürgerschaft. Sie begründet ein ausschließliches Verhältnis zu „seinem“ Staat mit exklusiven Rechten, wie etwa dem Wahlrecht, aber auch Schutz im Ausland oder Teilhabe an Systemen der sozialen Sicherheit. Den Rechten korrespondieren selbstverständlich Pflichten, etwa für Männer, den Wehrdienst zu leisten. Die Staatsangehörigkeit konstituiert eine gegenseitige Loyalität von Bürger und Staat.

Für den Erwerb der Staatsbürgerschaft gibt es grundsätzlich zwei Modelle: Das Recht der Abstammung (ius sanguinis, wörtlich: Recht des Blutes) und das ius soli (Recht des Bodens), also nach dem Ort der Geburt bzw. des regelmäßigen Aufenthalts. Österreich wie auch Deutschland gehören zu den wenigen Ländern, in denen das ius sanguinis gilt. Wer von österreichischen Eltern wo auch immer geboren wird, ist Österreicher, wer von nicht österreichischen Eltern in Österreich geboren wird, ist es nicht automatisch.

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