Leitartikel

Die echte Globalisierung geht jetzt erst richtig los

Chinas erratische Coronapolitik sorgt dafür, dass Investoren nach Alternativen suchen. Etwa in Indien. Das Ende der Globalisierung wurde zu früh ausgerufen.

Es sind verstörende Berichte, die dieser Tage auch unser Korrespondent aus China sendet. Nach einer jahrelangen „Zero Covid“-Politik schwenkte die kommunistische Regierung in Peking von einem Tag auf den anderen auf das andere Extrem um, setzt auf Durchseuchung und lässt das Virus quasi ungezügelt gewähren. Das alles geschah bekanntlich nicht ganz freiwillig. Nachdem in einem Wohnhaus mindestens zehn Menschen verbrannt waren, weil die Feuerwehr aufgrund der strengen Covid-Maßnahmen nicht zum Brand vorrücken konnte, stellten Demonstranten in aller Öffentlichkeit die Kommunistische Partei und Staatschef Xi Jinping infrage. So perfekt funktionierte der chinesische Überwachungs- und Repressionsapparat dann doch nicht. Und so untertänig und willenlos ist das chinesische Volk also doch nicht. Und noch kann niemand abschätzen, wohin das alles führen wird.


Klar ist, dass westliche Unternehmen das Vertrauen in China längst verloren haben. Spricht man auch mit österreichischen Industriellen, dann findet die Expansion mittlerweile in Indien, Thailand, Malaysia oder Indonesien statt. Konzerne entdecken Südamerika, und für manche werden die USA plötzlich wieder zu einem attraktiven Produktionsstandort.

Viele bleiben mit ihren bestehenden Fabriken natürlich in China, aber bauen diese nicht weiter aus. Von einem Ende der Globalisierung kann also keine Rede sein. Und das ist ein Glücksfall. Denn die Idee, Waren wieder in Europa herzustellen und sich quasi autark zu machen, ist genauso hirnrissig wie weltfremd. Alles schon da gewesen. Wer sich in den 1970er-Jahren ein in Österreich produziertes Fernsehgerät etwa von Grundig oder Kapsch kaufte, legte dafür knapp drei Monatsgehälter hin. Ein Mobiltelefon deutscher Provenienz kostete Anfang der 1990er-Jahre 22.000 Schilling. Man mag den mittlerweile überbordenden Konsumismus zu Recht geißeln, aber tatsächlich führte die Globalisierung dazu, dass Dinge für eine breite Schicht der Gesellschaft leistbar wurden, die zuvor nur einer kleinen Elite vorbehalten waren. Die Geschichte, dass von der Globalisierung nur die Oberen profitieren, wie sie gern von Kapitalismuskritikern erzählt wird, stimmt einfach nicht, mag man sie auch noch so oft wiederholen. Globalisierung ist nämlich nicht das Problem, sie ist vielmehr die Lösung vieler Probleme.

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