Der Judenstaat könnte für Benjamin Netanjahus neue Koalition einen hohen Preis zahlen – und der Premier zum Getriebenen der Extremisten werden.
So viel Kritik musste noch kaum eine Regierung vor ihrer Angelobung einstecken – und Benjamin Netanjahu ist daran wahrlich gewöhnt. Dass die Palästinenser seine rechtsnationalistische Koalition – eine Premiere in der 75-jährigen Geschichte Israels – verbal unter Beschuss nahmen, wäre noch keine Überraschung. Das Programm der neuen Regierung in Jerusalem weckt angesichts der Kompetenzen und des Zugriffsrechts für die Minister Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotnich – zwei Aktivisten der Siedlerbewegung, die sich als „Herren im Haus“ sehen – auf das Westjordanland freilich berechtigte Sorgen um eine Eskalation der ohnehin angespannten Lage.
Die Regierungsleitlinien schreiben ein „alleiniges und unumstößliches Recht des jüdischen Volks auf alle Teile Israels“, also auch auf die Palästinensergebiete, fest. Dies könnte eine mögliche Annexion legitimieren, sollten die Palästinenser den Ausbau der jüdischen Siedlungen in Ostjerusalem und im Westjordanland zum Anlass für eine Intifada nehmen. Die Expansion der Siedlungen ist ein deklariertes Ziel der neuen Regierung und eine Konzession Netanjahus an die beiden radikalen Minister, die auf spezielle Befugnisse für die Militär- und Zivilverwaltung im Westjordanland pochten und dies durch ein eigenes Gesetz absichern ließen.