Trotz seines Höhenfluges bleibt der 24-jährige Kärtner auf dem Boden der Realität. Mit dem Sieg bei der Tournee erfüllte er sich einen Kindheitstraum.
Toni Innauer wusste es schon auf den ersten Blick. Als er 1996 einen zehnjährigen Kärntner beim „Innauer Alpin-Skifest" auf einer Schneeschanze entdeckte, bemerkte der Skisprungguru nicht nur den „unbedingten Siegeswillen", sondern auch das Talent, das in Thomas Morgenstern schlummerte. Die Entscheidung, über Schanzen zu springen anstatt wie sein Onkel Alois als Slalomfahrer beim ÖSV einzusteigen, fiel schnell - denn schon damals bedeutete der Reiz des Absprunges für Morgenstern alles. Aus dem Hobby wurde Ernst und Skispringen wurde zu seinem Beruf.
Vierzehn Jahre später hat seine Erfolgsliste die Länge einer Kassarechnung im Supermarkt. Er wurde Junioren- und zweimal Teamweltmeister, Einzel- und zweimal Teamolympiasieger. Er gewann 2008 den Gesamtweltcup, 20 Weltcupsiege stehen zu Buche.
Dennoch fühlte Thomas Morgenstern noch eine gewisse Leere. Das Einzige, was ihm in dieser Sammlung fehlte, war der Gewinn der Vierschanzentournee. Am Sonntag setzte der 24-jährige Kärntner dieser Wartezeit ein Ende und sicherte sich als neunter Österreicher nach Bubi Bradl, Willi Pürstl, Hubert Neuper, Ernst Vettori, Andreas Goldberger, Andreas Widhölzl, Wolfgang Loitzl und Andreas Kofler den Titel bei der 59. Auflage dieser Traditionsveranstaltung.
Es ist die Sprungkraft, die Morgensterns Höhenflug ermöglicht. Er beherrscht augenblicklich das Zusammenspiel von Kraft und Gefühl mit der neuen Stabbindung von allen am besten. Auch bringt keiner solch eine Kraft beim Absprung zur Entfaltung wie Morgenstern. Aus dem Stand, erzählt er stolz, könne er in einem Lokal auf eine 1,40 Meter hohe Bar springen.
Auch als Mensch hat Morgenstern eine Weiterentwicklung vollzogen. Aus dem Ehrgeizling, der Niederlagen hasste, wurde ein besonnener Athlet. Vorbei sind die Zeiten, in denen er fuchsteufelswild aus dem Auslauf stürmte, weil er nicht gewonnen hatte. Heute stellt sich Morgenstern dem Erlebten und kann es richtig werten.
Skispringen ist dennoch nicht das Wichtigste in seinem Leben. Freundin Kristina kennt er seit Schulzeiten, mit ihr bezog er unlängst ein eigenes Haus in Seeboden. Eltern und sein Management rund um Edi Federer haben dafür gesorgt, dass Siegesprämien, Sponsorgelder und Werbeeinnahmen wohlüberlegt investiert sind. Sorgen kennt er also keine, wird es dem Kärntner dennoch zu bunt, hebt der Hobbyflieger sofort ab. Der Pilot für einmotorige Flugzeuge kann über den Wolken Stress, Druck, Zwang und weitere Unannehmlichkeiten schnell vergessen. Selbst Tourneesieger bleiben in diesen Höhen unbehelligt.