Eine Werkstatt zum Basteln, eine mobile Küche zum Selberkochen: Das Pflegewohnhaus Neumargareten in Wien Meidling hat kürzlich seinen Betrieb aufgenommen.
Ergonomie und Raumklima, Farben, Akustik und Licht: allesamt Faktoren, die in jeder Architektur eine essenzielle Rolle spielen. Geht es um die Planung von Pflegewohnheimen – und somit um die Wohnbedürfnisse von Senioren –, müssen diese und weitere Aspekte bedacht, andere architektonische Antworten gefunden werden. Die eingeschränkte Mobilität etwa gehört berücksichtigt, auch, dass die künftigen Bewohner oft mit Demenz und Orientierungslosigkeit zu kämpfen haben. Christian Krakora von B18 Architekten hat sich intensiv mit Fragen des altersgerechten Wohnens auseinandergesetzt und ist langjähriger Partner der ÖJAB, der Österreichischen Jungarbeiterbewegung, die sich um Studierende, Jugendliche und an drei Standorten in Wohn- und Pflegeheimen auch um Senioren kümmert. Eines der jüngsten Projekte der beiden Partner, das Pflegewohnhaus Neumargareten in Wien Meidling, hat diesen Oktober den Betrieb aufgenommen.
Ausblick auch vom Bett
Es gehe vor allem darum, eine „wohnliche Atmosphäre zu schaffen“, sagt Krakora – und gleichzeitig viele Anforderungen zu erfüllen, im gesamten Komplex und im einzelnen Apartment: „Von der Hygiene über den Brandschutz und Oberflächengestaltung bis hin zur barrierefreien Ausstattung und schwellenlosen Übergängen zu Loggien“, zählt der Architekt auf.
Kluge Lösungen liegen da oft im Detail: Die Fenster zum Beispiel sind bodennah konzipiert und mit dünnen, aber blickdichten und hitzereduzierenden Vorhängen versehen. So haben die Bewohner, auch bettlägrige, guten Blick nach draußen. Die Rollos davor sind mit seniorenfreundlicher Fernbedienung zu steuern, ein Windwächter sorgt dafür, dass sie sich bei Sturm von selbst einziehen. Und dank der Barrierefreiheit im Komplex „können sogar Bettlägrige in den wundervoll gestalteten Garten geschoben werden“, erzählt Monika Antl-Bartl, stellvertretende Geschäftsführerin der ÖJAB und Bereichsleiterin Pflege.
Standard sind natürliche Materalien und – wo nicht möglich – eine ebensolche Optik, Bewegungsmelder, gekoppelt mit Lichtquellen, die in der Nacht einen sicheren Weg in den Nassraum möglich machen. Auf Terrassen, im Garten, in Gängen, Küchen und Gemeinschaftsräumen gibt es viele Plätze, um zu verweilen, sich auszutauschen. Und: Spannende Innovationen finden sich im Neumargareten. Eine Werkstatt zum Basteln mit Werkbank, eine fahrbare Kücheneinheit, die auch Bewohner mit schweren Mobilitätseinschränkungen nutzen können, und die „Pflegeoase“, eine speziell eingerichtete Wohneinheit für Menschen mit starker kognitiver und körperlicher Einschränkung.
Übersiedelt sind die Bewohner in das neue Zuhause gleich von nebenan. Das ehemalige Pflegewohnhaus wird in den nächsten zwei Jahren umgebaut. „Einziehen“ werden dann Kindergartenkinder, ganz im Sinne eines barrierefreien Treffens der Generationen.
Junge Leute wohnen übrigens schon in der Nachbarschaft: Ein Studierendenwohnheim der ÖJAB wurde kürzlich, ebenfalls direkt angrenzend, eröffnet.
ZUM OBJEKT
Im Neumargareten gibt es 214 Wohn- und Pflegeplätze. Gleich daneben liegt der Lebenscampus Wolfganggasse, etwa mit Studierendenheim.
Das Pflegewohnhaus erhielt im Dezember einen Hygiene-Award, außerdem wurde es als ein Projekt der IBA Wien ausgezeichnet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2022)