Auch für das Jahr 2023 wird gelten, was der „Economist“ in seiner Jahresvorschau schreibt: „All eyes on Ukraine.“ Wie bei vielen großen Konflikten der Vergangenheit war auch die Dynamik dieses Krieges zu Beginn nicht vorhersehbar. Hilft uns die Suche nach Mustern und Analogien in der Geschichte weiter?
Vor acht Jahren, bei der russischen Annexion der Krim, schrieb der Historiker Karl Schlögel den Satz: „Die Ukraine wird nie mehr von der Landkarte in unseren Köpfen verschwinden.“ Er hatte recht. Am 24. Februar 2023 werden wir den ersten Jahrestag des Ukraine-Kriegs erleben. Und wir können davon ausgehen, dass auch dann noch lang nicht mit seinem Ende zu rechnen ist. Niemand kann die Folgen für die geopolitische Lage und die kollektive Sicherheit vorhersehen. Wie in einem System von Zahnrädern greifen die dadurch verursachten Krisen ineinander. Wir werden weiterhin gequält werden von der Unsicherheit über die Möglichkeiten der Eskalation, die Potenziale der Ausweitung auf bisher nicht kriegführende Staaten oder gefährlichere Waffensysteme.
Wir wissen auch nicht Bescheid über unsere Resilienz gegenüber dem Geschehen, wie bald die derzeitige Haltung des Westens unterminiert werden wird. Wie lang werden wir zuschauen können und wollen? Sollen wir stärker eingreifen oder uns überhaupt abwenden? Wir sind in einem Zustand prekärer Unsicherheit, im „Gebiet der Ungewissheit“, „im Nebel“, so schrieb der berühmteste Theoretiker des Krieges, Carl von Clausewitz, vor rund 200 Jahren. Wie immer wenn ein großer Krieg ausgebrochen ist.