Starker Auftakt: Cate Blanchett sorgt als Dirigentin in „Tár“ im März für das erste große Highlight des neuen FIlmjahres.
2023

Kultur-Highlights, auf die wir uns freuen

Was bringt das neue Jahr? Wir blicken voraus auf Höhepunkte aus Film und Serie, Kunst und Literatur, Theater, Klassik und Pop. Darunter eine Operetten-Uraufführung, ein Festival zum Wohlfühlen und Ausstellungen, die man nicht verpassen sollte.

Klassik, Atombomben und Barbiepuppen

Cate Blanchett begeistert als Dirigentin, Christopher Nolan lässt es krachen: Im Kino wird es wuchtig.

„Tár“. Ist Lydia Tár eine echte Person? Diese Frage stellten sich manche Zuschauer in den USA, wo Todd Fields erster Film seit 16 Jahren – uraufgeführt in Venedig – bereits im Kino gezeigt wurde. Dessen titelgebende Hauptfigur, ihres Zeichens erste Chefdirigentin der Berliner Philharmoniker, ist komplett fiktiv. Dass sie Menschen dennoch dazu bringt, ihren Namen bei Wikipedia einzugeben, zeugt von den Qualitäten von Fields Inszenierung, von der famosen Schauspielleistung Cate Blanchetts – und von der Brisanz des Filmplots, der sein Porträt einer eigenwilligen Kulturkarrieristin auf ausgeklügelte Weise zum Brennpunkt zeitgenössischer Reizthemen macht. Fields ambivalente Auseinandersetzung mit Cancel Culture, Generationenkonflikten und Machtmissbrauch in der Klassikszene polarisierte die Filmkritik. Bei uns startet sie im März.

„Oppenheimer“. Der Countdown läuft – auf YouTube, wo ein Live-Trailer zu Christopher Nolans jüngstem Film die Tage bis zum Start abzählt. Gewohnt großtuerisch rührt der britische Spektakelfilmer für Kopfmenschen die Trommel für sein Historiendrama über den US-Physiker, der als Urheber der Atombombe gilt. Ins Kino kommt es im Juli.

„Barbie“. Filme mit der berühmtesten Puppe der Welt gibt es viele, doch Greta Gerwigs feministische Rückgewinnung des kultigen „Mädchenspielzeugs“ verheißt (im Juli) ein Comeback der besonderen Art. (Andrey Arnold)

Von Bret Easton Ellis bis Ingeborg Bachmann

Mit 58 noch für Traumata gut: Bret Easton Ellis.
Mit 58 noch für Traumata gut: Bret Easton Ellis. JOEL SAGET / AFP / picturedesk.c

Traumatisches von den USA bis Österreich, das uns dennoch literarisch freut. Und natürlich − Leipzig.

Der „American Psycho“-Autor ist zurück. 13 Jahre sind es her seit dem letzten Roman von Bret Easton Ellis, bekannt für schockierende Porträts junger reicher Männer, die Sinnleere durch (Gewalt-)Exzesse kompensieren. Am 17. Jänner erscheint nun, im Original wie in deutscher Übersetzung, „The Shards“: Autofiktionales über ein traumatisches Highschool-Jahr, bei dem ein Serienmörder und ein neuer Mitschüler miteinander zu tun zu haben scheinen. Zu viel sei nicht verraten über den Roman, aber doch so viel: Er zieht einen überaus gekonnt in seinen Bann.

Bachmann und Frisch im Kino. Mit nur 47 Jahren starb die österreichische Schriftstellerin am 17. Oktober 1973 in Rom, das Gedenkjahr dazu hat eigentlich schon begonnen, mit der Bachmann-Schau in der Österreichischen Nationalbibliothek und einem Suhrkamp-Buch: Bachmanns Briefwechsel mit Max Frisch. Wie freilich Filmemacherin Margarethe von Trotta diese Beziehung interpretiert, darauf kann man gespannt sein: „Bachmann & Frisch“ kommt 2023 in die Kinos.

Österreich ist „meaoiswiamia“. Über unser Motto „meaoiswiamia“ kann man ja diskutieren – aber es soll uns nicht die Freude verderben daran, dass Österreich auf der im März stattfindenden Leipziger Buchmesse als Gastland im Zentrum steht! (Anne-Catherine Simon)

Raritäten und eine Verschwörungsoperette

Sabine Devieilhe debütiert als Blanche.
Sabine Devieilhe debütiert als Blanche. Fabien Monthubert

In der Oper verspricht das Jahr 2023 Eigentümliches und Neuartiges, darunter ein fesselndes Psycho-Spiel.

Wiener Staatsoper: „Dialogues des Carmélites“. Eines der eigentümlichsten Opernwerke des 20. Jahrhunderts, in Wien zuletzt 1964: unvergesslich die Schlussszene mit dem immer dünner werdenden „Salve Regina“, während das Fallbeil niedersaust . . . 1794 wurden unter den Jakobinern in Paris 16 Nonnen hingerichtet, weil sie an ihrem Gelübde festhielten. Francis Poulenc brachte das als fesselndes psychologisches Kammerspiel auf die Bühne. Bertrand de Billy dirigiert, es debütieren u. a. Sabine Devieilhe (Blanche) und Magdalena Fuchsberger (Regie). Ab 21. 5.: Fixtermin!

Salzburger Festspiele: „Griechische Passion“. Noch eine Rarität: In einem griechischen Dorf verschwimmen Fantasie und Wirklichkeit durch Passionsspiel und Flüchtlingskrise. Martinůs zeitlos modernes Stück (1961) vereint Sozial- und Religionskritik mit einem (pessimistischen) Plädoyer für die Menschlichkeit. Vermutlich der goldrichtige Stoff für Regisseur Simon Stone: spannend! (Ab 13. 8.)

Volksoper: „Die letzte Verschwörung“. Eine Operetten-Uraufführung – geht das noch? Volksopernchefin Lotte de Beer will's wissen und inszeniert selbst (ab 25. 3.), wenn Komponist/Librettist Moritz Eggert die Verschwörungserzählungen unserer Tage auf die Schaufel nimmt und Nostalgie und Unterhaltung, Zeitkritik und Satire zusammenbringen will: Neugier! (Wilhelm Sinkovicz)

Barock-„Fusion“ und Ravel-Originalklang

„Lolitas“ (O-Ton Strawinsky) in „Sacre“, 1913.
„Lolitas“ (O-Ton Strawinsky) in „Sacre“, 1913. akg-images / picturedesk.com

Die Welt der Klassik bietet 2023 in allen Bereichen des Repertoires Überraschungen und Aha-Erlebnisse.

François-Xavier Roth. Mit seinem Orchester Les Siècles, das dem Originalklang bis herauf ins frühe 20. Jahrhundert nachspürt, spielt der französische Dirigent im Wiener Musikverein Musik für die Ballets Russes des genialen Impresarios Serge Diaghilev. Tatsächlich hat man zu Uraufführungszeiten von Ravels „Daphnes und Chloe“ oder Strawinskys „Sacre du printemps“ in Paris auf ganz anderen Instrumenten musiziert als heute! (Programmschwerpunkt „Paris tanzt“, 9. bis 14. Juni)

Franz Welser-Möst. Der Dirigent trachtet seit Langem danach, große Spieltraditionen für Barockmusik nicht über Originalklang-Dogmen zu vergessen. Diesmal sucht er für Bachs „Matthäuspassion“ mit den diesbezüglich verwaisten Wiener Philharmonikern und dem Schönberg-Chor nach dem goldenen Mittelweg. (2. April, Konzerthaus).

Kirill Petrenko. Der Chefdirigent der Berliner Philharmoniker steht bei den Salzburger Festspielen seit Amtsantritt für extravagante Programme. Diesmal, am 27. Juli, kombiniert er Richard Strauss' viel gespieltes „Heldenleben“ mit einem einstmals ebenso populären, heute aber beinah vergessenen Orchesterwerk der Spätromantik: Max Regers „Mozart-Variationen“. Ein kontrapunktisches Meisterstück, das zur vollen Entfaltung allerdings eines analytischen Dirigenten bedarf! (Walter Weidringer)

Auf der Bühne ist im März schon Oktoberfest

Mateja Koležnik inszeniert „Kasimir und Karoline“.
Mateja Koležnik inszeniert „Kasimir und Karoline“. Thomas Dashuber

Kann man noch über Theater reden, ohne über Krise zu reden? Schauen wir einmal.

Burgtheater: „Kasimir und Karoline“. Horváths bitteres Krisenstück, zuletzt im Volkstheater verblödelt, widersetzt sich der Verharmlosung, wenn man seine Sprache und seine Mechanik ernst nimmt. Das könnte der Slowenin Mateja Koležnik, bekannt für kühle, sparsame Inszenierungen, gelingen. Welche klaustrophobische Bühnenarchitektur sie wohl für das Oktoberfest-Szenario bauen lässt? Premiere ist am 24. März. Dass man im Burgtheater zu Silvester noch nicht sagen konnte, wer mitspielt, ist hoffentlich nur eine Teaser-Strategie der endenden Ära Kušej . . .

Josefstadt: „Glückliche Tage/Herzliches Beileid“. Beckett-Stücke können sehr komisch sein, die „Happy Days“ sogar heiter. So ist es eine witzige Idee, sie mit einer Komödie von Feydeau zu kombinieren. Es inszeniert der Endspiel-bewährte Dieter Dorn. Ab 27. April.

Festwochen Gmunden: „Der Sturm“. „We are such stuff as dreams are made of“, und alles löst sich auf . . . Bei Shakespeares traumhaftem Spätwerk bleiben stets Rätsel, es macht es Theatern nicht leicht. Dass man es nicht zur Revue vernebeln kann, zeigte unlängst das Burgtheater. Schauen wir, was Moritz Beichl bei den seit 2022 von Ex-Burgtheaterchefin Karin Bergmann geführten Festwochen Gmunden daraus macht! Gleich im ersten Jahr ist ja Schnitzlers „Reigen“ dort gut geglückt. (Thomas Kramar)

Zeitgenossenschaft von Vermeer und Kogelnik

Kiki Kogelniks „Self Portrait“ (1964).
Kiki Kogelniks „Self Portrait“ (1964). Kiki Kogelnik Foundation

Es sind spannende neue Bewertungen, auf die man sich 2023 in Ausstellungen freuen kann.

Jan Vermeer. Was macht ihn für uns heute nur so anziehend? Sein Mädchen mit dem Perlenohrring, seine Liebesbriefe-lesenden Frauen, die verloren an den Fenstern stehen? Die Bilder dieses holländischen Barockmalers wirken wie Standbilder aus Kostümfilmen. Es ist der Moment, den er uns so nah heranholt. Und ihre Schlichtheit. Das Reichsmuseum Amsterdam versammelt nun 28 Werke der nur etwa 37 ihm sicher (oder halbwegs sicher) zugeschriebenen. Muss man einfach hin. (10. 2. bis 4. 6.)

Kiki Kogelnik. „Now is the time“, so muss die Retrospektive auf Kiki Kogelnik (1935–1997) im BA Kunstforum (2. 2. bis 25. 6.) heißen. Sie, die lang unter Kitschverdacht stand – vor allem hier in ihrer Heimat, nicht in ihrer Wahlheimat New York –, muss neu bewertet werden. Was für eine aktuelle, Technik und Feminismus kreuzende Position! Ihr prominenter Auftritt bei der vorigen Biennale Venedig hat diese Ausstellung umso dringlicher werden lassen.

Unteres Belvedere. Hier finden zwei Höhepunkte des Wiener Kunstjahrs statt: die auch wissenschaftlich spektakuläre Schau „Klimt inspired by Matisse, Van Gogh“ (3. 2. bis 29. 5.) und eine größere Ausstellung von Louise Bourgeois (22. 9. bis 28. 1. 2024). Die konzentriert sich aufs weniger bekannte malerische Frühwerk, verspricht aber trotzdem spätere Skulpturen und Installationen. (Almuth Spiegler)

HBO setzt auf Zombies, Netflix auf Romantik

„The Last of Us“ basiert auf einem Computerspiel.
„The Last of Us“ basiert auf einem Computerspiel. HBO

Bei den Serien starten ein Prestigeprojekt von HBO, eine Popstar-Story und ein „Bridgerton“-Spin-off.

„The Last of Us“. Diese Zahlen lassen aufhorchen: Zehn bis 15 Millionen Dollar soll jede einzelne der neun Folgen von „The Last of Us“ gekostet haben. Das ist viel für eine Serie, die keinem mächtigen Franchise wie „Star Wars“ oder „Herr der Ringe“ entstammt. HBO hat hier zum ersten Mal ein Computerspiel adaptiert, immer ein riskantes Unterfangen. Aufhorchen lassen auch die Serienmacher: Neil Druckmann, Schöpfer des Spiels, sowie Craig Mazin, der mit „Chernobyl“ eine fantastische Miniserie schuf, sind für die Serie verantwortlich, die im besten Fall acht Staffeln bekommen könnte. Pedro Pascal („The Mandalorian“) und Bella Ramsay („Game of Thrones“) spielen die Hauptrollen: Ein ungleiches Duo, das durch ein von Zombies bevölkertes Amerika reist. Ab 16. Jänner auf Sky.

„Queen Charlotte: A Bridgerton Story“. In der Wartezeit auf die dritte „Bridgerton“-Staffel liefert Netflix (vermutlich im Mai) ein Spin-off der romantischen Kostümserie: Darin verliebt sich die junge Königin Charlotte, erneut von einer dunkelhäutigen Darstellerin verkörpert (India Amarteifio), in König Georg III. (Corey Mylchreest).

„The Idol“. Pop-Überstar The Weeknd aka Abel Tesfaye und Sam Levinson, Schöpfer der intensiven Adoleszenz-Serie „Euphoria“, ersannen eine Geschichte „aus der Gosse Hollywoods“ (so die Tagline) für HBO: Ein Popstar (Lily-Rose Depp) versucht nach einem Nervenzusammenbruch ihr Comeback. (Heide Rampetzreiter)

In der Slowakei gibt's die hipsten Pop-Acts

Kommt fast nach Österreich: britisches Duo Wet Leg.
Kommt fast nach Österreich: britisches Duo Wet Leg. Hollie Fernando

Highlights im Pop: Ein wirklich gemütliches Festival und Neues von einem Gender-Bender-Pionier.

Pohoda-Festival. Während die hiesigen Festivals den Trends schwer nachhinken, offeriert das auf dem aufgelassenen Flugfeld der slowakischen Stadt Trenčin stattfindende Pohoda-Festival jedes Jahr die hipsten Acts des Universums. Von 6. bis 8. Juli locken verheißungsvolle Artists wie Jamie XX, Wet Leg, Sampa The Great, The Viagra Boys, Hazey und Amelie Lens. Pohoda heißt übersetzt übrigens Behaglichkeit: Grandioses Essen, Kunst, Kino, Vorträge und ein Stand des britischen Gummistiefelherstellers Hunter garantieren eine gute Zeit.

Elvis Costello & Burt Bacharach. Elvis hat es wieder getan. Er hat abermals mit der Legende des amerikanischen Popsongwritings, dem 94-jährigen Burt Bacharach, neue Songs eingespielt. Die präsentiert er auf einer Vier-Album-Kompilation mit Live-Stücken und Raritäten.

Dexys. Als Kevin Rowland 1999 sein superb gesungenes Coverversions-Album „My Beauty“ mit einem Cover veröffentlichte, das ihn als Frau gestylt zeigte, hagelte es Kritik und Unverständnis. Heute, in diesbezüglich unaufgeregteren Zeiten, wird er dafür von manchen sogar als Pionier gesehen. Nun verspricht er mit „The Feminine Divine“ ein neues Album, das die Grenzen des Männlichen und Weiblichen in mehrerlei Hinsicht erforscht. Für Sommer 2023 angekündigt. (Samir H. Köck)

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