Vatikan

Papst Benedikt weihte Privatsekretär schon 2012 in Rücktrittspläne ein

Georg Gänswein begrüßte im Petersdom die italienische Ministerpräsidentin Giogria Meloni, während Papst Benedikt XVI. aufgebahrt wird.
Georg Gänswein begrüßte im Petersdom die italienische Ministerpräsidentin Giogria Meloni, während Papst Benedikt XVI. aufgebahrt wird.APA/AFP/TIZIANA FABI
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Der nun verstorbene Papst wollte laut Privatsekretär Gänswein bei Krankheit nicht dem Beispiel seines Vorgängers Johannes Paul II. folgen. Benedikt XVI. habe mit dieser Entscheidung lange gerungen.

Der am Samstag verstorbene Benedikt XVI. hatte bereits im September 2012 seinem Privatsekretär Georg Gänswein seinen Rücktrittsbeschluss mitgeteilt. "Meine unmittelbare Reaktion war: 'Heiliger Vater, das ist unmöglich, das ist einfach nicht möglich'", so Gänswein im Interview mit der römischen Tageszeitung "La Repubblica" (Montagsausgabe). Joseph Ratzinger hatte am 11. Februar 2013 völlig überraschend öffentlich seinen Amtsverzicht angekündigt.

"Dann sagte er mir: 'Sie können sich vorstellen, dass ich mir diese Entscheidung gut überlegt habe, ich habe nachgedacht, ich habe gebetet, ich habe gerungen. Und nun teile ich Ihnen eine Entscheidung mit, die getroffen wurde, nicht eine These, die diskutiert werden soll. Es handelt sich nicht um eine quaestio disputanda (offene Frage, Anm.), es ist entschieden. Ich sage es Ihnen, aber Sie dürfen es niemandem sagen'", berichtete der 68-jährige Kurienerzbischof.

"Benedikt hat mir einmal gesagt: 'Ich kann und will nicht dem Beispiel von Johannes Paul II. im Krankheitsfall folgen, denn ich muss mich mit meinem Leben, meinen Entscheidungen und meinen Stärken auseinandersetzen.' Deshalb hat sich der Papst zu dieser Entscheidung durchgerungen. Das erfordert meiner Meinung nach nicht nur eine Menge Mut, sondern auch eine Menge Demut", sagte Gänswein. Er schloss andere Erklärungen für Benedikts aufsehenerregenden Amtsverzicht aus.

Warum auf Latein? „In der Sprache der Kirche"

Auf die Frage, warum Benedikt seine Rücktrittsankündigung auf Latein gesprochen habe, antwortete Gänswein: "Benedikt sagte, dass eine derartige Ankündigung in der Sprache der Kirche gemacht werden musste. So hat er diese Worte verlesen, die seine Verzichtserklärung geworden sind", erklärte Gänswein. Auf die Frage, warum Benedikt sich nach seinem Amtsverzicht als "papa emerito" bezeichnete, antwortete sein Privatsekretär, dass es sich um seinen persönlichen Beschluss handelte. "Ich glaube, dass vor einem so außerordentlichen Beschluss die Rückkehr zum Kardinalamt nicht natürlich gewesen wäre. Es gibt jedoch keinen Zweifel, dass es in diesen Jahren (seit der Papstwahl 2013, Anm.) einen einzigen Papst gegeben hat, der Franziskus heißt", so Gänswein.

In Zusammenhang mit dem Vatileaks-Skandal verriet Gänswein, dass "die Dokumente nicht von Papst Benedikts Schreibtisch gestohlen wurden, sondern von meinem. Leider habe ich das erst viel, viel später erkannt, zu spät. Ich habe mit Benedikt gesprochen und ihm deutlich gesagt: 'Heiliger Vater, ich trage die Verantwortung, ich übernehme sie. Ich bitte Sie, mir eine andere Aufgabe zuzuweisen, ich kündige.' 'Nein, nein', hat er mir geantwortet: 'Wir sind hier eine kleine Gruppe und wir bleiben zusammen'", so Gänswein.

In der "Vatileaks"-Affäre ging es um die Weitergabe vertraulicher Papiere über Korruption und Geldwäsche im Vatikan. In der Affäre wurde der päpstliche Ex-Kammerdiener Paolo Gabriele 2012 zu 18 Monaten Haft verurteilt. Papst Benedikt begnadigte ihn kurz vor Weihnachten 2012.

Kardinal Bertone: „Dachte, es sei nur ein vorübergehender Gedanke"

Auch der ehemalige vatikanische Staatssekretär, Tarcisio Bertone, bestätigte, dass Benedikt bereits 2012 seinen Rücktritt beschlossen hatte. "Benedikt XVI. begann im Frühjahr 2012 mit mir über seinen Rücktritt zu sprechen, aber ich dachte, es sei nur ein vorübergehender Gedanke. Im Sommer 2012 haben wir das Thema mit mehr Entschlossenheit angepackt, und ich habe gemerkt, wie tief in ihm diese Absicht verwurzelt war, die im Gebet und in der Reflexion gereift war", sagte Bertone in einem Interview mit der Tageszeitung "La Stampa" am Montag.

"Meine Seele war beunruhigt und bedrückt bei dem Gedanken an die Reaktion, die ein solches Ereignis in der Kirche und darüber hinaus hervorrufen würde. Mein Gebet wurde intensiver und meine Nächte waren weniger friedlich. Ich versuchte, ihn dazu zu bewegen, die Ankündigung so lange wie möglich aufzuschieben, und nahm als Vorwand das Versprechen, das er gegeben hatte, sein Buch über die Kindheit Jesu zu Weihnachten (2012, Anm.) fertigzustellen, um der Kirche die gesamte Trilogie über Jesus von Nazareth anbieten zu können. So geschah es, und die Ankündigung des Rücktritts wurde bis zum 11. Februar 2013, dem Fest der Muttergottes von Lourdes, verschoben", berichtete Bertone.

(APA)

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