Ministerin Raab fordert den ORF zum Sparen auf und sperrt sich gegen eine automatische jährliche Steigerung des Budgets. Künftig könnte der Öffentlich-Rechtliche also weniger Geld zur Verfügung haben.
Dem ORF droht ein Finanzloch, doch Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hat nicht vor, dieses zu stopfen. Sie will, dass der ORF spart. Derzeit verhandelt Raab mit den Grünen über die künftige Finanzierung des ORF, aber eine automatische jährliche Steigerung des Budgets plant sie nicht. ORF-Chef Roland Weißmann hatte im November vor "einer der größten Finanzierungskrisen in der Geschichte" des ORF ab 2024 gewarnt – mit einem Minus von bis zu 130 Millionen Euro. Dabei hatte das vergangene Jahr eigentlich positive Nachrichten für den ORF und dessen Finanzierung gebracht: Ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) sieht vor, dass ab 2024 auch die Streamingnutzung von ORF-Angeboten kostenpflichtig sein muss.
Doch wie sollen Gebühren für Streaming eingehoben werden? Denkbar sind drei Finanzierungsmodelle: Die GIS könnte auf streamingfähige Geräte erweitert werden, was sich als schwierig erweisen dürfte. Denn fraglich ist, für welche Geräte GIS fällig wird: Laptops? Handys? Wie groß muss dann deren Bildschirm sein? Möglich ist auch eine Haushaltsabgabe nach deutschem Vorbild. Diese ist unabhängig davon, ob und wie viele Rundfunkgeräte vorhanden sind. Eine dritte Variante tauchte erst Ende November wieder in der Diskussion auf: Nämlich, dass der ORF aus dem Bundesbudget finanziert werden soll, was die Gefahr der noch größeren politischen Abhängigkeit mit sich bringt.
Welche der drei Varianten Raab präferiert, wollte sie nicht sagen: "Die Neuregelung ist notwendig aufgrund des VfGH-Erkenntnisses, dass die jetzige Regelung als verfassungswidrig beurteilt hat. Alle drei Varianten liegen nach wie vor auf dem Tisch und werden derzeit geprüft".
Egal, welche Finanzierungsform: Auch das Geld für den ORF wächst nicht auf den Bäumen. Es wird von hart arbeitenden Gebührenzahlerinnen und -zahlern erwirtschaftet. Eine automatische jährliche Steigerung des Budgets für den ORF ist nicht in meinem Sinne.
Medienministerin Susanne Raab (ÖVP)
Jedoch ließ sie durchblicken, dass der ORF in Zukunft weniger Geld zur Verfügung haben könnte: "Egal, welche Finanzierungsform: Auch das Geld für den ORF wächst nicht auf den Bäumen. Es wird von hart arbeitenden Gebührenzahlerinnen und -zahlern erwirtschaftet. Eine automatische jährliche Steigerung des Budgets für den ORF ist nicht in meinem Sinne."
Ihr sei wichtig, dass man nicht reflexartig die Hand aufhalte, sondern der ORF sich "mit gutem Willen ansieht, wo man in der Struktur im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sparen kann". Voraussetzung dafür sei ein Kassensturz, um den sie Weißmann gebeten habe. "Das ist besonders in Zeiten wie diesen wichtig, wo die Menschen sparen müssen", so Raab.
Umfrage: 76 Prozent fordern Einsparungen
Ähnlich wie Raab denkt offenbar eine Mehrheit der Menschen in Österreich, wie eine Umfrage des Linzer Market-Instituts für den "Standard" ergab. Demnach sind 76 Prozent der Befragten dafür, dass der ORF erst in Strukturen und Angeboten sparen soll, um auf ein ausgeglichenes Budget zu kommen.
Nicht nur die Finanzierung des ORF soll novelliert werden, auch welche Möglichkeiten er im digitalen Raum haben. Der ORF will Inhalte etwa online-first und online-only fabrizieren dürfen und diese auch länger als sieben Tage abrufbar halten. Mitbewerber fürchten, ob der schieren Dominanz des ORF unter die Räder zu kommen, wenn dieser noch mehr Möglichkeiten erhält. ORF-Chef Weißmann hat angekündigt, die Textmeldungsanzahl auf der "blauen Seite" ORF.at zu halbieren, was als Entgegenkommen an die Verleger gedeutet werden kann.
"Eine Weiterentwicklung des ORF in Richtung digitales Zeitalter ist notwendig", sagte Raab dazu. "Wir werden die Rahmenbedingungen schaffen." Im Blick habe man den gesamten Medienstandort. Dieser solle gestärkt und nicht durch die Novelle geschwächt werden.
Der Stiftungsrat bleibt wie gehabt
Priorität habe aber nun, dem VfGH-Erkenntnis zu entsprechen und die künftige Finanzierung des ORF zu regeln, so die Ministerin. Daher sei auch eine Gremienreform für den ORF jetzt nicht angedacht. "Ich habe nicht den Eindruck, dass die Unabhängigkeit des Journalismus im ORF gefährdet ist oder beispielsweise gar besonders regierungsfreundlich berichtet wird. Wenn es Einzelfälle mit Verfehlungen gibt, ist es wichtig, dass diese von den Medienunternehmen genau untersucht werden", so Raab. In letzter Zeit tauchten etwa Chats auf, in denen sich formal unabhängige ORF-Stiftungsräte mit Politikern austauschten. Auch offenbarte ein Sideletter, dass sich die Regierung die Direktorenposten im ORF aufgeteilt hat.
An Plänen für "Wiener Zeitung" wird nicht gerüttelt
Abseits des ORF befanden sich mehrere Mediengesetze in Begutachtung. So sollen Inserate der öffentlichen Hand künftig lückenlos dargelegt und eine neue Qualitätsjournalismusförderung eingeführt werden. Zudem soll die "Wiener Zeitung" künftig primär online erscheinen. In den Stellungnahmen wurde etwa kritisiert, dass die Inseratenvergabe weiterhin willkürlich erfolgen könne und bei der neuen Förderung die Hürden für Online-Medien zu hoch ausfallen und Wissenschaftsjournalismus nicht gefördert werde.
"Die Expertinnen und Experten meines Hauses sichten gerade die Stellungnahmen. Selbstverständlich sind wir offen für gute Anregungen", so Raab. Die Kritik an der willkürlichen Vergabe kann sie nicht nachvollziehen: "Eine Vergabe mit öffentlichen Mitteln darf niemals willkürlich sein. Es gibt strenge Vergaberegeln. Die Kontrolle der Vergabe verschärfen wir nun mit einer Gesetzesreform und neuen Transparenzregeln."
An den grundsätzlichen Plänen zur "Wiener Zeitung" dürfte wenig gerüttelt werden. "Die Zukunft des Medienmarkts ist das Digitale. Diesen Weg bestreitet die 'Wiener Zeitung' nun auch", sagte Raab. Die Zeitung solle so neue Lesergruppen erreichen und gleichzeitig werde die Traditionsmarke erhalten bleiben. "In keiner Weise" sei es Intention, die Journalismusausbildung des vorgesehenen "Media Hub Austria" bei der Wiener Zeitung GmbH unter Kontrolle der Politik zu stellen, wie Kritiker befürchten. "Oberstes Ziel ist es, die Unabhängigkeit in der Ausbildung sicherzustellen, und das werden wir auch mit dem neuen Gesetzesentwurf untermauern", sagte die Medienministerin.
>> Umfrage im "Standard"
(APA/her)