Ermittlungen

Bei den tödlichen Schüssen in Wiener Neustadt geht man von Notwehr aus

Am Schauplatz des Schusswechsels war am Freitag die Spurensicherung im Gange.
Am Schauplatz des Schusswechsels war am Freitag die Spurensicherung im Gange.(c) APA/FLORIAN WIESER (FLORIAN WIESER)
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Ein 54-jähriger Unteroffizier soll einen 20-jährigen Grundwehrdiener erschossen haben. Er wurde zunächst festgenommen, aber nach Befragungen wieder auf freien Fuß gesetzt.

Freitagfrüh wurde ein 20-jähriger Wachsoldat in der Flugfeldkaserne in Wiener Neustadt getötet. Der mutmaßliche Schütze wurde bereits am selben Tag wieder enthaftet. Der Grund: "Momentan wird von einer Notwehrsituation ausgegangen. Es besteht kein dringender Tatverdacht wegen Mordes", sagte Erich Habitzl, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der Grundwehrdiener aus Krumbach in der Buckligen Welt soll seine Kameraden mit einem Sturmgewehr bedroht haben, sein Vorgesetzter dabei eingeschritten sein.

Wie Aussagen des mutmaßlichen Schützen und von drei Zeugen sowie die Tatortgegebenheiten ergeben hätten, soll der 20-Jährige seinem Vorgesetzten mehrfach mit einem Sturmgewehr auf den Kopf geschlagen haben, teilte Habitzl am Abend mit. Der 54-jährige Unteroffizier erlitt eine stark blutende Wunde am Kopf. Während des Angriffs soll der Burgenländer seine Waffe gezogen und den Grundwehrdiener getötet haben. Der 54-Jährige wurde laut Polizei im Spital ambulant behandelt.

Das Landeskriminalamt übernahm die Ermittlungen, berichtete Polizeisprecher Johann Baumschlager. Am Freitag wurden Spuren gesichert und Einvernahmen durchgeführt. Der 54-Jährige wurde zunächst festgenommen, aber nach Befragungen wieder auf freien Fuß gesetzt.

(c) Gregor Käfer

Ursache des Streits unklar

Der Auslöser des Vorfalls sei weiterhin Gegenstand von Ermittlungen, sagte Habitzl auf Anfrage. Laut der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt sollen ein bis drei Schüsse abgegeben worden sein. Näheres soll ein Schussgutachten des Bundeskriminalamtes klären. Abzuwarten sei auch das Obduktionsergebnis. Geprüft wird laut Habitzl außerdem, ob eine Tatrekonstruktion gemacht wird.

Laut Bundesheersprecher Michael Bauer soll es kurz vor der für 7.00 Uhr geplanten Wachablöse zu dem Vorfall gekommen sein. Der Grundwehrdiener soll seine Kameraden im Wachlokal mit dem Sturmgewehr bedroht haben. Ihr Vorgesetzter, der Offizier vom Tag, habe das von außen gesehen und deeskalierend einschreiten wollen. Daraufhin habe der Grundwehrdiener den 54-Jährigen "angesprungen, getreten und ihm mehrmals mit dem Lauf der Waffe gegen den Kopf gestoßen", so der Sprecher. Die anderen drei Wachsoldaten seien geflüchtet. Laut Bauer soll es ein Gerangel gegeben haben, bei dem der Rekrut tödlich verletzt wurde. Ursprüngliche Angaben, wonach der Grundwehrdiener mehrmals geschossen haben soll, seien nicht bestätigt worden.

Die Soldaten werden einer Aussendung zufolge durch den Heerespsychologischen Dienst betreut. Eine Untersuchungskommission wurde eingesetzt. Ein Erstbericht soll nach 48 Stunden vorliegen.

Die Wache bestehe aus zwei Grundwehrdienern sowie dem Offizier vom Tag, einem Berufssoldaten, als Vorgesetzten, erläuterte das Bundesheer in einer Aussendung. Kontrolliert wird die Zufahrt zum Kasernengelände. Wachsoldaten sind mit einem halbgeladenen Sturmgewehr bewaffnet, ihr Vorgesetzter trägt eine geladene Pistole bei sich. Der Rekrut sei als Wachkommandant eingeteilt gewesen. Der 20-Jährige hatte laut Aussendung seinen Grundwehrdienst vergangenen September angetreten. Er war seit Mitte Oktober als Wachsoldat in der Wiener Neustädter Kaserne eingesetzt. Der unbescholtene 54-Jährige ist den Angaben zufolge seit 1987 beim Bundesheer und seit 2007 in der Flugfeldkaserne tätig.

Die Flugfeldkaserne in Wiener Neustadt war im November 2019 Schauplatz einer tödlichen Hundeattacke gewesen. Ein 31-jähriger Soldat, der unter anderem für Auslauf und Fütterung mehrerer Tiere zuständig gewesen war, war leblos in einer Zwingeranlage gefunden worden. Ein Ermittlungsverfahren gegen den zuständigen Hundeführer und gegen nicht konkret ausgeforschte Verantwortliche des Bundesheers wurde Ende 2020 eingestellt.

Messerangriff und Kopfschuss: Vorfälle beim Bundesheer

Wien. Tödliche Zwischenfälle wie der Schusswechsel in der Flugfeldkaserne in Wiener Neustadt am Freitag kommen beim österreichischen Bundesheer sehr selten vor. Dennoch gab es in den vergangenen Jahren mehrere Ereignisse, bei denen Personen zumindest zu Schaden gekommen sind.

► Jänner 2022: Beim Versuch, ein mutmaßliches Schlepperfahrzeug anzuhalten, fallen bei einem kleinen Grenzübergang im Südburgenland Schüsse. Ein Schlepper schießt auf Soldaten des österreichischen Bundesheeres und flüchtet anschließend über die Grenze nach Ungarn. Verletzt wird niemand.

► Juni 2021: Ein Soldat verletzt einen Kameraden durch eine Schussabgabe mit einer Pistole schwer. Beide Männer, Milizsoldaten, stammen aus Wien und befinden sich zur Überwachung der Staatsgrenze im Assistenzeinsatz im Raum Nickelsdorf beim Nova-Rock-Festivalgelände auf einem Hochstand. Sie dürften „grob fahrlässig“ mit Waffen hantiert und „Zielübungen“ gemacht haben.

► März 2018: Ein 26-jähriger Mann verübt eine Messerattacke auf einen Wachposten des österreichischen Bundesheeres vor der Residenz des iranischen Botschafters in Wien Hietzing. Der Soldat wehrt den Angreifer mit Schüssen aus der Dienstwaffe ab. Der Mann stirbt an Ort und Stelle. Der Wachposten erleidet eine Schnittverletzung.

► Oktober 2017: In einem Ruheraum in einem Wiener Amtsgebäude des österreichischen Bundesheeres wird ein Rekrut von einem Kameraden mit einem Kopfschuss getötet. Der Täter, der stets von einem Unfall sprach, wurde inzwischen rechtskräftig wegen Mordes verurteilt.

(red.)

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