Systemkritik

Zwei weitere Demonstranten im Zusammenhang mit Iran-Protesten hingerichtet

Im September sind die Proteste im Iran ausgebrochen.
Im September sind die Proteste im Iran ausgebrochen.(c) via REUTERS (WANA NEWS AGENCY)
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Die beiden Männer werden für Tod des Sicherheitsbeamten verantwortlich gemacht. Bereits im Dezember waren zwei Demonstranten hingerichtet worden. Indessen wurde eine Fotografin zu einer zweimonatigen Parkreinigung verurteilt.

Im Iran sind zwei weitere Demonstranten hingerichtet worden. Die iranische Justizbehörde gab am Samstag bekannt, dass zwei Männer in der Früh gehängt worden seien. Sie sollen während der systemkritischen Proteste im November für den Tod eines Angehörigen der Sicherheitskräfte verantwortlich gewesen sein, so die Justiz auf ihrem Webportal Mizan. Damit steigt die Zahl der hingerichteten Demonstranten im Zuge der mehr als dreimonatigen systemkritischen Proteste auf vier.

Der 22-jährige Mohammed-Mehdi K. und der 20-jährige Seyyed-Mohammed H. seien „die Haupttäter des Verbrechens, das zum ungerechten Martyrium von Ruhollah Ajamian geführt hat“, meldete die staatliche die Nachrichtenagentur IRNA unter Berufung auf die Justiz. Nach Angaben der Justizbehörde hatten die beiden Männer vor Gericht zugegeben, bei Protesten in Karaj, einem Vorort der Hauptstadt Teheran, den angeblich unbewaffneten Sicherheitsbeamten mit einem Messer erstochen zu haben. Das Gnadengesuch der beiden Angeklagten wurde dem Mizan-Bericht zufolge vom obersten Gerichtshof abgelehnt und das Todesurteil bestätigt.

Drei weitere zum Tode verurteilt

Wegen des Todes von Ajamian, eines Mitglieds der Basij-Miliz, wurden drei weitere Menschen zum Tode verurteilt. Elf Angeklagte erhielten Haftstrafen. Die Miliz ist eine paramilitärische Freiwilligen-Einheit und den mächtigen Revolutionsgarden zugeteilt. Sie spielt bei dem massiven Vorgehen gegen Demonstrantinnen und Demonstranten eine wichtige Rolle.

Im Zuge der landesweiten Proteste waren im Dezember bereits der Rap-Musiker Mohsen S. und Majid Reza R. wegen angeblichen Mordes und versuchten Mordes an zwei Basij-Mitgliedern hingerichtet worden. Die Hinrichtungen sorgten im In- und Ausland für Entsetzen. Die EU beschloss daraufhin auch wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen weitere Sanktionen gegen den Iran.

Die Sanktionen haben laut Experten die bereits akute Wirtschaftskrise noch weiter verschärft. Die nationale Währung Rial hat nach den Protesten über 25 Prozent an Wert verloren. Angesichts der Entwicklungen im Land ist kein Ende der Finanzkrise in Sicht. Einige Beobachter befürchten gar einen Wirtschaftskollaps in dem ölreichen Land.

Mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen

Nach jüngsten Schätzungen der in den USA ansässigen Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) sind bei den Protesten bereits mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen 70 Minderjährige sowie knapp 70 Polizei- und Sicherheitskräfte. Mehr als 19.000 Demonstranten seien verhaftet worden.

Über die Zahl der zum Tode verurteilten Verhafteten gibt es widersprüchliche Informationen, da bei einigen das Todesurteil in Berufungsgerichten aufgehoben wurde. Die Rede ist von 20 Demonstranten, die auf der Todesliste der Justiz stehen sollen. Die iranische Führung hat diese und ähnliche Angaben bisher weder bestätigt noch dementiert.

Skurriles Urteil gegen Fotografin

Zudem hat ein Gericht in Teheran am Samstag ein recht skurriles Urteil gegen eine renommierte iranische Fotografin gefällt. Laut Medien gab die Justizbehörde bekannt, dass Yalda Moaiery wegen ihrer Beteiligung an den systemkritischen Protesten und der daraus resultierenden Gefährdung der nationalen Sicherheit zu einer zweimonatigen Parkreinigung verurteilt worden sei. Außerdem müsse sie als Strafe einen 100-seitigen Recherchebericht zu einem iranischen Kleriker verfassen, erklärte die Justiz.

Die Fotografin selbst bestätigte auf Instagram das von der Tageszeitung „Shargh“ kolportierte Gerichtsurteil und postete ein Video von sich mit einer orangefarbigen Uniform bei der neuen Arbeit. „Da ich als Fotografin nicht die Realitäten meines Landes reflektieren darf, mache ich dafür sehr gerne diese ehrenhafte Arbeit“, erklärte die 41-Jährige auf Instagram. Die mehrfach ausgezeichnete Moaiery war im September verhaftet worden, als sie Fotos von Protesten machte. Ende Dezember kam sie auf Kaution frei.

Handy- und Social Media-Verbot

Das Urteil beinhaltet auch eine sechsjährige Bewährungsstrafe und zwei Jahre Ausreiseverbot. Genauso lange dürfe sie weder ihr Handy noch die sozialen Medien nutzen. Ihr wurde auch verboten, für zwei Jahre in Teheran und den Vororten der Hauptstadt zu leben, teilte die freie Fotografin auf Instagram mit. Gegen das Urteil könne sie laut Justizbehörde Berufung einlegen. Ärger mit der Justiz hatte Moaiery schon 2019 wegen ihrer Bilder während der damaligen politischen Unruhen.

Die Möglichkeiten der Berichterstattung im Iran sind seit den Protesten massiv eingeschränkt. Hinzu kommen Internet-Störungen und Sperren. Nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) in New York wurden im Rahmen der jüngsten Proteste bereits mehr als 80 Medienschaffende verhaftet. In den sozialen Medien wurden die Verhaftungen auf das Schärfste verurteilt. Es gab diesbezüglich auch spöttische Posts: Mit den ganzen inhaftierten Journalisten habe das berüchtigte Ewin Gefängnis in Teheran nun genug Personal, um eine eigene Nachrichtenagentur zu gründen, hieß es beispielsweise.

(APA/red)

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