Morgenglosse

Knapp daneben, Harry

Harry holt abermals zum Rundumschlag aus. Was bleibt ist ein bitterer Beigeschmack.
Harry holt abermals zum Rundumschlag aus. Was bleibt ist ein bitterer Beigeschmack.(c) Getty Images (Laurence Griffiths)
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Anstatt Kritik am System zu üben, verzettelt sich der Prinz in seiner Biografie „Spare“ in familiärem Kleinkram. So viel zur Priorität der eigenen Privatsphäre.

Zurückgezogen hatten sich Harry und Meghan ja eigentlich der Privatsphäre wegen. Man wollte finanziell unabhängig sein, überdies dem als übergriffig bekanntem britischen Boulevard entkommen. Was man seither tut, ist genau diesen zu füttern, mit familiären Vorkommnissen, dessen Inhalt man als Außenstehende lieber gar nicht gewusst hätte. So bezichtigte eine Prinz-Gemahlin die andere (Kate) eines „Babygehirns“, William soll am Weg zur eigenen Hochzeit noch nach Alkohol gerochen haben und Charles, nun ja, ist einfach Charles und suhlt sich in ewiger Eifersucht auf die Beliebtheit der Jüngeren.

Am skandalträchtigsten scheint der beschriebene körperliche Angriff des Thronfolgers William auf dessen jüngeren Bruder. Er nennt William seinen Erzfeind, äußert indessen den Wunsch, dass die geschwisterliche Beziehung heilt - eine mit der Publizierung des Buches wohl weniger wahrscheinlich gewordene Wendung.

Erscheinen sollte die Biografie übrigens erst am Dienstag. Eine vermasselte Markteinführung in Spanien ließ stattdessen schon allerhand Details aufkommen, auf welche sich der britische Boulevard - und mit ihm die internationale Presse - freilich stürzte. Spätestens jetzt ist das Narrativ der Memoiren klar, die Institution sei toxisch und überholt, misogyn und nicht zuletzt rassistisch.

Anstatt sich aber, wie ein (ungenauer) Blick auf die britische Kolonialgeschichte in der eigenen Netflix-Dokumentation vermuten ließ, den strukturellen Problemen der Maschinerie zu widmen, verzettelt sich der abtrünnige Prinz in brüderlicher Zwietracht und geschwätzigem Tadel. In einer allumfassenden Debatte um „the institution“ wird dies wohl kaum münden, ebenso wenig in einer langfristigen Einnahmequelle.

 

 

("Die Presse am Sonntag" vom 8.1.2023)


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