Bill Daley übernimmt als Stabschef des Weißen Hauses eine Schlüsselfunktion.
Vor exakt 50 Jahren habe er als Bub im Schlepptau seines Vaters erstmals seine künftige Wirkungsstätte besucht, erinnerte sich Bill Daley bei seiner Vorstellung als neuer Stabschef Barack Obamas im Weißen Haus. Damals war gerade John F. Kennedy in den Amtssitz eingezogen, und die Daley-Familie erwies dem Präsidenten ihre Honneurs. Als Chicagoer Bürgermeister galt Richard Daley als mächtiger Drahtzieher der Demokraten; als Boss der berüchtigten „Parteimaschinerie“ verhalf der irischstämmige, katholische Clanchef dem irischstämmigen, katholischen Patriziersohn Kennedy, Enkel des Bostoner Bürgermeisters, zum knappen Wahlsieg.
Die Stippvisite bei dem charismatischen Präsidenten hat auch die Karriere Bill Daleys, des jüngsten Kindes Dick Daleys, entscheidend geprägt. Seit seinem ersten Herzschlag fließt Politik in seinen Adern, gehört er dem „demokratischen Adel“ an. Während sein Bruder Richard junior als Bürgermeister der „Windy City“ das Erbe seines Vaters antrat und demnächst nach 22 Jahren zurücktritt, wechselte Bill von der Welt der Politik in die Welt des Business und vice versa. Selbst als Chef von Goldman Sachs für den Mittleren Westen der USA ließ ihn die Faszination des öffentliches Dienstes nie los.
Ob als Wahlhelfer Jimmy Carters, als Regierungsbeauftragter für die nordamerikanische Freihandelszone Nafta, als Wirtschaftsminister Bill Clintons oder als Wahlkampfmanager Al Gores: Bill Daley war zur Stelle, wenn der Ruf ertönte. Der Nachfolger des Cholerikers Rahm Emanuel, der oft Angst und Schrecken verbreitet hat und sich jetzt just um das Bürgermeisteramt in Chicago bewirbt, hat sich eine Reputation als Pragmatiker und unaufgeregter Vollprofi erworben. Im Gegensatz zu den Liberalen hat Thomas Donohue, der Chef der den Republikanern nahestehenden Handelskammer, Daleys Berufung geradezu bejubelt. Als Verbindungsmann zwischen Politik und Wirtschaft kommt dem 62-Jährigen eine Schlüsselfunktion im Obama-Team zu, und mit seinen Kontakten zur Wall Street soll er Frieden stiften. vier
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2011)