Der "Ring", frisch gebacken

Decca
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Mit den modernsten Mitteln raffinierter Digitaltechnik wurde eine Wiener Schallplatten-Legende wiederbelebt: Der "Ring des Nibelungen" unter Georg Solti.

Drehen Sie, bitte, Ihren Ofen nicht auf die gewohnten 180 Grad. Da hätten Sie schon verloren; zumindest, wenn es um die Qualitätssicherung Ihrer alten Tonbänder geht. Die Techniker der Universal-Studios in Gütersloh backen alte Aufnahmen zehn Stunden bei 55 Grad! Das Ergebnis überzeugt vollkommen. Jüngst bekamen sie die originalen Masterbänder der legendären ersten Studio-Gesamtaufnahme von Wagners „Ring des Nibelungen“ zur Digitalisierung. Die ersten beiden Werke der Tetralogie in der von Georg Solti dirigierten, von den Wiener Philharmonikern musizierten Aufnahme liegen nun auf CD vor und können bei Streaming-Diensten auch in HD-Qualität abgerufen werden.
Der viel gerühmte Solti-„Ring“ klingt nun tatsächlich wie frisch gebacken! Die originale Schallplatten-Ausgabe war schon nach ihrer Fertigstellung, Mitte der Sechzigerjahre, Kult-Gegenstand. Als 1958 mit dem „Rheingold“ begonnen wurde, glaubte niemand außer dem Decca-Team an einen kommerziellen Erfolg. EMI-Boss Walter Legge beschied den Konkurrenten: „Keine 50 Exemplare werdet ihr verkaufen“. Zwanzig Jahre später bilanzierte Decca mit fast 18 Millionen verkauften Schallplatten. Hochgerechnet hatte man also den gesamten „Ring“ mehr als eine Million Mal verkauft – was natürlich so nicht stimmt, denn, wie im Kartenverkauf in den Opernhäusern geht auch im Plattengeschäft „Die Walküre“ besser als etwa „Siegfried“.
Aber dieser „Ring“ wurde zur Legende; nicht einmal so sehr wegen der interpretatorischen Leistung Georg Soltis, der die Philharmoniker allerdings zu ungewohnt präzisem, klanglich ungemein farbenprächtigem Spiel bei insgesamt oft rasanten Tempi anstachelte. Eher schon wegen einiger der Gesangsleistungen, voran der Brünnhilde Birgit Nilssons, die, wie auch Wolfgang Windgassens Siegfried gleichzeitig mit Karajan den „Ring“ an der Wiener Staatsoper erarbeiteten. Jedenfalls aber war der Trumpf der Einspielung die Aufnahmetechnik.

Der "Culshaw-Ring"

Kenner wissen, dass die Gesamtaufnahme eigentlich nicht nach Solti, sondern nach John Culshaw benannt werden sollte. Der Decca-Produzent war ebenso fanatisch wie genial begabt, die Möglichkeiten, die sich ihm boten, zu nutzen. Er war der Regisseur der akustischen Inszenierung – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. In seinen originalen Einführungstexten gab er in den Plattenbeiheften sogar an, wo sich der Hörer auf der akustischen Bühne etwa Amboss und Ofen in Mimes Schmiedewerkstatt denken sollte.
Die frühen Langspielplatten-Pressungen, vor allem jene, die in England hergestellt worden waren, klangen auch so räumlich und gestaffelt wie man das nie zuvor – und, zugegeben, auch selten danach – je erlebt hatte. Dieses Klang-Wunder haben die ersten CD-Editionen des „Rings“ dann erheblich minimiert und verflacht – lediglich das Bandrauschen wurde eliminiert, allerdings unter Preisgabe vor allem der reichen Obertöne der Wiener Streicher und Bläser.
Hier setzt die Neuauflage an. Die „aufgebackenen“ Originalbänder von Culshaws Schnittversionen wurden mit den aktuellsten Mitteln digitalisiert (192 kHz – 24 Bit), heutige Geräuschfilter leisten auch schon weitaus treuere Dienste als ihre Vorgänger vor einem Vierteljahrhundert. Nun klingt dieser „Ring“ wieder so, dass er auch in CD- ode SACD-Gestalt zur Legende werden könnte

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