Gastkommentar

Den Menschen die beste Pflege geben

Replik. Die Pflege den Angehörigen – und damit oft Frauen – zu überlassen, ist nur auf den ersten Blick eine kostengünstige Lösung.

Die Autorin

Elisabeth Potzmann (*1969) ist Pflegewissenschafterin und Präsidentin im Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGK).

Alte Menschen und Laienpflegerinnen werden in Österreich nicht gerade hofiert. Das zeigt sich nicht zuletzt dadurch, dass sie nicht die nötige Unterstützung bekommen. Nun genau bei jenen zu sparen, die das ändern könnten und wollen, also bei der professionellen Pflege, ist wenig sinnvoll. Aber ausgerechnet das regt Mediziner Walter Waldhäusl in einem „Presse“-Gastkommentar (3. 1.) an. Dabei sind die Ausgaben im Pflegesektor in Österreich im OECD-Vergleich gering. Laut Wifo-Zahlen von 2018 betragen die Ausgaben 1,53 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Dahinter liegen nur noch die OECD-Länder Italien, Spanien, Portugal und Griechenland.

Neue Familienstrukturen

Betrachten wir nun das von Waldhäusl erwähnte „über Jahrhunderte bewährte System“ der Betreuung durch die Familie genauer. Dieses System gibt es nicht mehr, weil es die Familienstrukturen von vor hundert Jahren nicht mehr gibt. Bei Scheidungsraten von 50 Prozent und dynamischen Patchwork-Konstellationen sinkt gleichzeitig die Haltung des Sich-verantwortlich-Fühlens. Das ist aber Grundvoraussetzung für ein Betreuungsverhältnis. Des Weiteren möchten die Menschen in Österreich mit Recht nicht länger nur intuitiv von Laien, sondern von Professionistinnen und Professionisten gepflegt werden. Das gewichtigste Argument gegen das Hohelied auf die Laienpflege in der Familie ist allerdings die Tatsache, dass diese Arbeit in 78 Prozent der Fälle von Frauen erledigt wird. Das hat für die Betroffenen meist enorme Folgen und gipfelt häufig in Altersarmut.


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