So haben wir uns die Schriftstellerei bisher vorgestellt: die britische Romanautorin Elinor Glyn im Jahr 1934.
Chat GPT

Oh wehe, der Algorithmus beginnt zu dichten!

Eine künstliche Intelligenz schreibt erstmals längere sinnvolle Texte. Ist der Schulaufsatz damit am Ende? Für Literatur fehlt jedenfalls das Wesentliche.

Ach wäre ich doch Chat GPT, diese künstliche Intelligenz, von der alle reden! Dann hätte ich diesen Artikel in einer Minute geschrieben. Keine Zweifel würden mich plagen, ob meine Einschätzung richtig ist. Keine Sorge, ob ich mehr erkannt habe, als sich aus der Masse an kollektivem Geschwätz darüber als typisch herausfiltern lässt. Keine Angst hätte ich, dass solche Textgeneratoren in absehbarer Zeit uns Journalisten ersetzten. Und keine Scham, wenn Leser mir vorwerfen, ich hätte das Problem falsch analysiert. Die KI reagiert auf Kritik mit digitalem Achselzucken, in etwa so: „Sie haben recht, das war falsch. Ich bin nur eine Software.“ Aber ich fühle mich verantwortlich, bin ein Mensch, verflucht.

Seit einem Monat ist Chat GPT in aller Munde. Triumphierend halten Jugendliche ihren Eltern den Smartphone-Bildschirm vor die Nase, auf dem eine Geisterhand einen Satz nach dem anderen tippt. Schüler hegen die gar nicht stille Hoffnung, dass damit die verhassten Aufsätze und schriftlichen Prüfungen bald passé sind. Denn dieses automatisierte Dialogsystem kann erstmals Fragen ausführlich beantworten, in kohärenten Texten, etwa fünf Absätze lang, semantisch und grammatikalisch fast fehlerfrei. Zudem reagiert es sinnvoll auf Feedback, merkt sich also, was bisher gesagt wurde. Und es kreiert auf humane Aufforderung hin fiktionale Texte: Kurzgeschichten, Reden, Dialoge oder Gedichte. Nach Wunsch auch „im Stil von . . .“ – auf dass sich Shakespeare und Goethe im Grabe umdrehen.

Was kann das Programm, ästhetisch betrachtet? Eine „Ode an das Skifahren im Stile Hölderlins“ spuckt es so aus: „O Ski, o Ski, du edler Freund, / Du bist das Tor zu unendlichen Höhen. / Du schenkst uns Glück, in jeder Sekunde, / Du bist die Quelle, die uns nie versiegt.“ Na ja. Auf Englisch geht schon deutlich mehr, auch Endreime. Ein Loblied auf Wien, Strophe drei: „But it's not just the sights that make Vienna great, / It's the people, their culture, their love of the plate / From schnitzel to strudel, the food is divine, / A culinary delight that is truly fine.“ Bei der Kurzgeschichte à la Schnitzler stimmen Setting und Personal: die Garderobe eines Wiener Schauspielers, seine Geliebte aus feinem Haus, ihr eifersüchtiger Gatte. Dass hier das Liebespaar nicht einfach durchbrennen kann, sondern die Männer sich zu duellieren haben, mag der Algorithmus noch lernen, in einer der nächsten Versionen. Aber die „Elegie auf einen toten Freund im Stile von Shelley“ dürfte wohl für immer eine langweilige Grabrede bleiben, schablonenhaft von der Stange fabuliert.

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