USA: Die Angst vor der Katastrophe

Angst Katastrophe
Angst Katastrophe(c) REUTERS (YURI GRIPAS)
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Verweigert der Kongress Obama das weitere Schuldenmachen, sind die USA im Frühling zahlungsunfähig – ein Schreckensszenario für die ganze Welt. Die USA halten bei einer Verschuldung von knapp 95% des BIP.

Wien. Wenn der Finanzminister der mit Abstand größten Volkswirtschaft der Welt von einer möglichen Zahlungsunfähigkeit seines Landes spricht, ist Feuer am Dach. Man steuere auf „katastrophale ökonomische Konsequenzen“ zu, erklärte Timothy Geithner Donnerstagnacht. Der Kongress müsse schleunigst ein Gesetz zum weiteren Schuldenmachen absegnen. Andernfalls steuerten die Vereinigten Staaten und mit ihr die Weltwirtschaft auf „Jahrzehnte des Leidens“ zu, sagte der Politiker.

Der Grund für die Aufregung liegt in der sogenannten Schuldengrenze der USA. Per Verfassung ist geregelt, dass die Regierung keine Schulden aufnehmen darf, wenn die Gesetzgebung dies nicht ausdrücklich erlaubt. Aktuell hat der Kongress grünes Licht für eine Staatsschuld von insgesamt 14,3 Billionen Dollar (10,9 Billionen Euro) gegeben. Wird dieser Wert erreicht, gibt es im Prinzip nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Gesetzgeber erhöhen das Limit, oder die USA können ihre Staatsanleihen nicht mehr bedienen und müssten offiziell die Zahlungsunfähigkeit erklären.

Ein politisches Hickhack

Viel Zeit, um dieses Horrorszenario abzuwenden, bleibt nicht mehr. Die Vereinigten Staaten halten bei einer Verschuldung von 13,95 Billionen Dollar oder knapp 95 Prozent der Wirtschaftsleistung. Laut Geithner wird die Schuldengrenze möglicherweise schon im März erreicht, spätestens aber im Mai. Die Opposition hat bereits zugestimmt, dass grundsätzlich an einer Erhöhung des Limits kein Weg vorbeiführt. Allerdings ist ein politischer Streit ausgebrochen, der im schlimmsten Fall in der Verweigerung der Republikaner gipfeln könnte, das weitere Schuldenmachen abzusegnen.

Der republikanische Fraktionsführer John Boehner, dessen Partei seit dieser Woche im Repräsentantenhaus die Mehrheit hält, will Barack Obama umfassende Zugeständnisse abringen. Man werde die Grenze nur anheben, wenn sich die Demokraten gleichzeitig verpflichteten, die Neuverschuldung „deutlich zu reduzieren“. Obamas Demokraten betonten bis zuletzt, man wolle sich nicht politisch erpressen lassen. Die Schuldengrenze solle angehoben werden, ohne dabei dem Weißen Haus jeglichen „finanziellen Handlungsspielraum“ zu nehmen.

Wie verfahren die Situation ist, zeigt ein Detail: Die Republikaner wollen Obama in jenem Bereich ein Sparprogramm aufzwingen, dass sich ausschließlich auf die „direkten Kosten“ des Weißen Hauses bezieht. Dieser Block ist politisch äußerst relevant, weil er auch repräsentative Möglichkeiten des Präsidenten regelt, etwa die Ausgaben für pompöse Diners bei Staatsbesuchen.

Schulden schnellen in die Höhe

Beobachter gehen davon aus, dass Obama um Zugeständnisse nicht herumkommen wird. Viele Republikaner machten die Bekämpfung des Defizits im Vorjahr zum zentralen Thema ihres Wahlkampfes. Sie versprachen der Bevölkerung in ihren entsprechenden Wahlkreisen, einer höheren Schuldengrenze keinesfalls zuzustimmen.

Die Angst vor einer kurzfristigen Zahlungsunfähigkeit der USA ist nicht völlig neu. 1995 zwangen die Republikaner den damaligen Präsidenten Bill Clinton, vorübergehend den Pensionsfonds anzuzapfen, um Staatsanleihen zu bedienen. Schließlich stimmten sie einer höheren Schuldengrenze zu.

Der Streit um die Staatsschulden ist seit Monaten bestimmendes Thema der US-Politik. 2008 lag die Obergrenze noch bei zehn Billionen Dollar, seitdem hat sie sich um fast die Hälfte erhöht. Ein 2009 beschlossenes Hilfspaket in Höhe von knapp 800 Mrd. Dollar hat seinen Teil dazu beigetragen. Doch auch ohne diese Sondermaßnahme würde die Staatsschuld bei knapp 90 Prozent des BIPs liegen.

Als größte Volkswirtschaft tragen die USA rund ein Fünftel zur weltweiten Wirtschaftsleistung bei. Ein Zahlungsausfall und ein damit verbundener Einbruch der Wirtschaft hätte „nicht nur für die Amerikaner dramatische Folgen“, warnt Finanzminister Geithner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2011)

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