Quiet Thriving

Die Antithese zum „Quiet Quitting“

Sich im Job wohl zu fühlen, ist auch eine Frage der Haltung
Sich im Job wohl zu fühlen, ist auch eine Frage der HaltungDie Presse
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Ob durch die „Great Resignation“ in den USA, flexible Arbeitszeiten durch die Corona-Pandemie oder der Trend zum „Quiet Quitting“: Die Einstellung zur Lohnarbeit erlebt einen Paradigmenwechsel.

Die Annahme, „Quiet Quitting“ hätte etwas mit innerlicher Kündigung zu tun, ist nur die halbe Wahrheit. Viele Betroffene mögen ihren Job und verfolgen nicht den Wunsch, zu wechseln. Sie weigern sich jedoch, Überstunden zu leisten und fehlende Anerkennung zu dulden. Insbesondere den Jungen fehle die Motivation, über ihre Grenzen hinaus zu arbeiten und Missbilligungen hinzunehmen.

Auch aus gutem Grund, sagt Psychotherapeutin Lesley Alderman gegenüber der „Washington Post“. Sie beschreibt die Arbeitswelt in einer Umbruchsituation: Von der auszubeutenden Arbeitskraft hin zu einem leistungsfähigen Menschen, der sich wünscht, auch für sein Tun wertgeschätzt zu werden. Wird dies nicht erfüllt, könne es zum „Quiet Quitting“ führen. Aber, sagt sie, man könne dieser Bewegung Einhalt gebieten. Eine Möglichkeit sei es, „Quiet Thriving“ zu fördern.

Gedeihen statt gehen

Um das Gedeihen am Arbeitsplatz - also mit dem Team und den Arbeitsbereichen zu wachsen und diese zu bereichern - zu realisieren, schlägt sie zehn konkrete Maßnahmen vor. Während Arbeitgebende gefordert sind, diese zu unterstützen, sollten Arbeitnehmende auch Bereitschaft zeigen, ihre Haltung ernsthaft zu überdenken.

Eine der Maßnahmen sei, für eine Sache einzutreten. Menschen neigen dazu, sich besser zu fühlen, wenn sie handlungsfähig sind. Dafür sei notwendig, Verbesserungspotential zu erkennen und anzusprechen: „Könnten die Sitzungen kürzer sein? Könnten hybride Arbeitspläne zugänglicher sein? Könnte das Unternehmen eine lustige Abwechslung wie eine gemeinsame Aktivität anbieten?“

Es sei für die Eigenmotivation auch hilfreich, eine emotionale Bindung am Arbeitsplatz zuzulassen. Etwas zu finden - eine Aufgabe, Post-it oder selbst eine gewisse Routine - die man zu lieben beginnt. Denn: Unser Gehirn ist darauf ausgelegt, das Negative zu fokussieren und Fehler repetitiv in Erinnerung zu rufen. Nur wer dieses Muster erkennt und gegensteuert, kann Raum für Positives schaffen. Etwas, worauf man sich jeden Tag aufs Neue freuen kann.

Dafür gilt es, den Job verantwortungsbewusst zu erledigen. Das Konzept des „Job Craftings“, das von den Organisationspsychologen Amy Wrzesniewski und Jane E. Dutton entwickelt wurde, ermutige Mitarbeitende dazu, eigenen Interessen auch am Arbeitsplatz zu folgen. Dazu zähle zum Beispiel die Teilhabe an Pro-Bono-Projekten, einer Diversity-Taskforce oder eigens initiierte Fokusgruppen. Ganz nach dem Motto: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, seien Arbeitnehmende dazu aufgerufen, kreativ zu werden. Das kann bei einer Yoga-Stunde anfangen und einem Newsletter enden, sagt Alderman.

Apropos Wagnis: Die Bereitschaft, eine (freundschaftliche) Bindung am Arbeitsplatz einzugehen, sei essenziell für das Wohlbefinden. Sie spricht davon, einen „besten Freund im Joballtag“ zu finden. Untersuchungen von Gallup hätten erwiesen, dass Beschäftigte, die einen engen Arbeitskollegen haben, deutlich häufiger Impulse setzen, um Innovationen zu implementieren, sich engagieren und Freude an der Arbeit zu haben.

So habe nicht nur der eine Freund Einfluss, sondern auch die Intention, sich Gruppen anzuschließen: Wer sich wie ein Außenseiter fühlt, sollte einer Gruppe beitreten oder eine neue gründen. So gelinge es, schnell Gleichgesinnte zu finden.

Grenzen zu setzen sorgt für langfristige Euphorie

Viele Arbeitskräfte sind ausgebrannt und schaffen es nicht, motiviert in die Arbeit zu gehen: Zu hoher Druck, zu kurze Fristen, zu wenig Chancen, eigene Ideen einzubringen. Hier lohnt es sich, klare Grenzen zu ziehen, auch mal „Nein“ zu sagen und auf die eigenen Bedürfnisse zu hören. Kurzfristig kann dies für Auseinandersetzungen sorgen, aber langfristig ist es auch für das Unternehmen profitabel, keine Burnouts oder chronische Erkrankungen einkalkulieren zu müssen.

Aber um Grenzen zu setzen, müssen diese erst entdeckt und bestenfalls kommuniziert werden. „Setzen Sie sich täglich, wöchentlich oder jährlich positive Absichten. Zum Beispiel könnten Sie sich am Montagmorgen sagen: Ich werde nicht zulassen, dass der Job meinen Blutdruck erhöht. Wenn ich anfange, eine Adrenalinreaktion zu spüren, werde ich drei tiefe Atemzüge und einen kurzen Spaziergang machen“, rät Alderman.

Hilfreich dabei könne es auch sein, lustige Pausen einzulegen. Zehn Minuten am Tag dafür zu nehmen, um etwas Erfreuliches zu tun. Danach gelinge es, produktiver zu sein, wie eine Studie im Journal of Labor Economics kürzlich veröffentlichte.

Würdigung und Veränderung fängt bei jedem selbst an

Ein weiterer Schritt des „Quiet Thrivings“ ist es, sich eine eigene Liste der Leistungen anzufertigen. Diese Tätigkeit diene in zweierlei Hinsicht: Arbeitnehmende fühlen sich besser und ergänzen parallel auch Fähigkeiten, die sich im Lebenslauf zeigen lassen. „Einer der Hauptgründe, warum Menschen in Jobs stecken, die sie nicht mögen, ist, dass sie nicht das Selbstvertrauen haben, zu gehen“, ist die Autorin überzeugt.

Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichend oder hilfreich sein, sei anzuraten, einen Experten um Auskunft zu bitten: „Wenn Sie sich gefangen, ausgegrenzt oder bereit zu kündigen fühlen, lassen Sie sich von einem vertrauenswürdigen Mentor, Karriereberater, Mitarbeitercoach oder einem Therapeuten beraten“, sagt sie, denn es könne dienlich sein, um einen Verbesserungsplan oder eine Job-Change-Strategie zu entwerfen.

Ob nun leise oder laut: Veränderung fängt bei jedem selbst an.

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