Krieg in der Ukraine

Russland macht umstrittenen Generaloberst Lapin zu neuem Bodentruppen-Chef

Russische Truppen bergen Ende Dezember kaputtes Kriegsmaterial in der Region Cherson.
Russische Truppen bergen Ende Dezember kaputtes Kriegsmaterial in der Region Cherson.IMAGO/ITAR-TASS
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Der Umbau der russischen Militärführung geht weiter. Dabei wurde der nun beförderte Lapin für seine Niederlagen in der Ukraine scharf kritisiert. Verteidigungsminister Schoigu kündigt indes eine Modernisierung der Rekrutierung an.

Russland hat Generaloberst Alexander Lapin zum Generalstabschef der russischen Bodentruppen ernannt, wie die staatliche Nachrichtenagentur Tass am Dienstag meldete -  trotz der heftigen Kritik führender Politiker an seiner Leistung.

Lapin, der zuvor Befehlshaber des zentralen russischen Militärbezirks war, wurde im vergangenen Oktober von Verbündeten von Präsident Wladimir Putin scharf kritisiert, nachdem die russischen Streitkräfte aus der ostukrainischen Stadt Lyman, einem wichtigen Logistikzentrum, vertrieben worden waren.

Beförderung „gelinde gesagt ein Missverständnis"

Seine Beförderung - über die in den russischen Medien viel berichtet wurde, die aber vom Kreml weder bestätigt, noch dementiert wurde - löste gemischte Reaktionen bei den einflussreichen russischen Kriegsbloggern aus, die Moskaus stotternde militärische Bemühungen in der Ukraine oft kritisch kommentieren.

Igor Strelkow, ein ehemaliger Anführer der prorussischen Kräfte in der ukrainischen Region Donezk, stellte Lapins Qualifikation als Kommandeur infrage und machte ihn für die schweren russischen Niederlagen im vergangenen Jahr in der Nähe der Stadt Charkiw verantwortlich. Seine Beförderung sei "gelinde gesagt ein Missverständnis", schrieb Strelkow am Dienstag auf Telegram.

Ein anderer prominenter Kriegsblogger, Wladlen Tatarskij, sagte, Strelkow habe Lapin zu Unrecht für die Niederlagen bei Charkiw verantwortlich gemacht, aber seine neue Position sei eine "nutzlose" Rolle, die die Funktion des Generalstabs dupliziere, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Generaloberst Alexander Lapin auf einem offiziellen Bild des russischen Verteidigugnsministeriums.
Generaloberst Alexander Lapin auf einem offiziellen Bild des russischen Verteidigugnsministeriums.(c) Wikipedia

Mehrere Umbauten

Lapins Beförderung folgt auf andere weitreichende Veränderungen in der russischen Militärführung im Laufe des elfmonatigen Krieges, in dem Moskaus Streitkräfte große Gebiete in der Süd- und Ostukraine erobert haben, aber eine Reihe schmerzhafter Niederlagen und Rückzüge erlitten. Am 8. Oktober ernannte Russland Luftwaffengeneral Sergej Surowikin zum Oberbefehlshaber seiner Streitkräfte in der Ukraine, kurz nachdem die Befehlshaber des östlichen und westlichen Militärbezirks entlassen worden waren.

Im August meldete die staatliche Nachrichtenagentur RIA, dass der Befehlshaber der Schwarzmeerflotte nach einer Reihe von Demütigungen, darunter die Versenkung seines Flaggschiffs und der Verlust von acht Kampfflugzeugen bei einem Angriff auf einen russischen Stützpunkt auf der Krim, entlassen worden sei.

Nachdem Russland im Oktober Lyman verloren hatte, wurde Lapin von Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow und Jewgeni Prigoschin, dem Gründer der privaten Militärgruppe Wagner, öffentlich scharf kritisiert. Beide haben Einheiten in die Ukraine entsandt, um die reguläre Armee zu unterstützen. Kadyrow sagte, man solle Lapin seine Medaillen abnehmen und ihn mit einem Gewehr an die Front schicken, um seine Schande mit Blut abzuwaschen. Prigoschin unterstützte Kadyrows Äußerungen und sagte: "Alle diese Bastarde sollten barfuß und mit automatischen Gewehren an die Front geschickt werden."

Rekrutierung wird modernisiert

Russlands Verteidigungsministerium hat unterdessen eine Modernisierung der Militärkommissariate angekündigt, die für die Einberufung von Soldaten zuständig sind. So sollen etwa Datenbanken aktualisiert sowie die Zusammenarbeit lokaler und regionaler Behörden verbessert werden, sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Dienstag der Agentur Interfax zufolge. In der russischen Bevölkerung kursieren seit Wochen Gerüchte, die politische Führung bereite eine zweite Mobilisierungswelle vor.

Von einer neuen Mobilisierung geht auch der ukrainische Geheimdienst aus. Der Kreml hingegen dementiert das. Um mehr Soldaten an die Front in der Ukraine schicken zu können, hatte Russlands Präsident Wladimir Putin im vergangenen Herbst rund 300.000 Reservisten einziehen lassen. Die Einberufungsstellen waren maßgeblich für die Umsetzung dieser Anordnung verantwortlich. Vielerorts wurden damals allerdings chaotische Zustände bei der Rekrutierung geschildert.

Nukleare Triade soll weiterentwickelt werden

Verteidigungsminister Schoigu kündigte zudem eine Verbesserung von Kampfdrohnen und -jets an. Zudem solle die sogenannte nukleare Triade weiterentwickelt werden, sagte er. Der Begriff beschreibt drei Arten von Atomwaffen: landgestützte Interkontinentalraketen, luftgestützte Trägersysteme sowie U-Boote mit Interkontinentalraketen. Der "nukleare Schild" sei "der wichtigste Garant für die Souveränität und territoriale Integrität unseres Staats", erklärte Schoigu.

Unterdessen hat Kreml-Sprecher Dmitri Peskow Kiew und "einigen westlichen Anführern" vorgeworfen, zynisch auf die von Russlands Präsident Wladimir Putin vorgeschlagene Feuerpause anlässlich des orthodoxen Weihnachtsfest am vergangenen Wochenende reagiert zu haben. Putin hatte die auf 36 Stunden angesetzte Feuerpause kurzfristig und einseitig angeordnet. Nach russischen Angaben galt sie am vergangenen Freitag und Samstag, also an den Tagen, auf die das orthodoxe Weihnachtfest fiel.

Der Vorstoß wurde jedoch unter anderem von der ukrainischen Regierung abgelehnt, weil sie darin einen Vorwand Moskaus sah, um die russischen Stellungen zu verstärken. Als die Feuerpause dann formell in Kraft war, nahmen russische Truppen nach ukrainischen Angaben dennoch Dutzende Stellungen und Siedlungen entlang der Front unter Beschuss.

(Reuters)

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