Pandemie

Musikhören im Lockdown verbesserte die Stimmung

Musikhören als Ablenkung in einer Krisensituation erscheint vielen als naheliegende Strategie.
Musikhören als Ablenkung in einer Krisensituation erscheint vielen als naheliegende Strategie.(c) Getty Images for The Sime Awards (Nils Petter Nilsson/Ombrello)
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Es gilt: Je fröhlicher die gehörte Musik, desto stärker verbesserte sich das Stress- und Stimmungsniveau. Wer sich jedoch mit Musik von der Pandemie ablenken wollte, wurde enttäuscht - weil Ablenkung generell keine effektive Strategie zum Umgang mit Krisen darstellt.

Wiener Psychologinnen und Psychologen haben im ersten Lockdown untersucht, welchen Einfluss das Musikhören auf die Befindlichkeit von Menschen in einer sehr fordernden Zeit hat. Dabei stellte sich heraus, dass Personen, die sich von der Musik Ablenkung versprachen, letztlich sogar über ein höheres Stresslevel berichteten. Mit Ausnahme von als besonders fröhlich empfundene Stücke, die konnten zur aktiven Entspannung und Aufmunterung beitragen, so das Fazit des Teams.

Durchgeführt wurde die Studie zu Beginn der Corona-Pandemie von April bis Mai 2020 von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien. Insgesamt nahmen rund 700 Menschen in Österreich und Italien teil. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler setzten sich im Rahmen der Studie mit dem Thema Stress in dieser absoluten Ausnahmesituation auseinander.

Die Studienteilnehmenden gaben über eine App mehrmals am Tag Einblicke in ihr Empfinden und Verhalten, wie etwa ihren Umgang mit Musik, teilte die Uni Wien am Mittwoch in einer Aussendung zu der im Fachmagazin „JAMA Network Open“ erschienen Arbeit mit. Mit einem derartigen Forschungszugang lasse sich recht engmaschig und realitätsnahe in den Alltag von Menschen blicken.

Zweck des Musikhörens entscheidend

In ihrer Auswertung analysierten die Forschenden, wie Menschen Musik in dieser Situation einsetzten, sowie welche Effekte das Hören auf die Stimmung und das Stressempfinden der durch die Virus-Eindämmungsmaßnahmen deutlich eingeschränkten Menschen hatte. Als wichtiger Faktor entpuppte sich dabei, welchen Zweck das Musikhören für die befragten Personen erfüllen sollte.

Insgesamt nur neun Prozent der Teilnehmenden hörten während der Befragung nie Musik, ein Drittel gab an, selbst ein Instrument zu spielen oder zu singen. Selbst wenn das Hörerlebnis bereits mehrere Stunden zurücklag, hob es die Stimmung und das Energieniveau etwas. Allerdings seien die Effekte des Hörens gegenüber dem Nicht-Hören insgesamt relativ gering, wie die Erstautorin der Studie, Anja Feneberg, erklärte.

War jedoch das berichtete Energielevel sehr niedrig und das Stressempfinden chronisch bzw. sehr hoch, brachte die Musik im Schnitt einen größeren positiven Effekt mit sich. Anders war jedoch das Bild beim Blick auf die Motivation, mit der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Abspielknopf betätigten: Überrascht hat das Team vor allem, „dass Musikhören zur Ablenkung offensichtlich mit höheren Stresswerten einherging“, so Feneberg. Dieser Effekt sei überdies vergleichsweise deutlich.

Ablenkung - keine Krisenbewältigung

Zwar erscheine Musikhören als Ablenkung in einer Krisensituation als naheliegende Strategie: „Jedoch deutet auch weitere Forschung darauf hin, dass Ablenkung keine effektive Strategie zur Krisenbewältigung darstellt. Möglicherweise ist es hilfreicher, sich der aktuellen Situation und deren Folgen zu stellen und Musik als Mittel zur aktiven Entspannung und Aufmunterung zu hören“, so Ko-Studienautor Urs Nater.

Wendeten sich die Befragten nämlich aus letzteren beiden Gründen der Musik zu, stellten sich auch die positiven Wirkungen eher ein. Das galt vor allem für Stücke, die von den Hörern als fröhlich empfunden wurde. Auch wenn die Effektgrößen im Schnitt eher klein ausfielen, seien sie bedeutsam, „wenn man berücksichtigt, dass Musik extrem kostengünstig, leicht verfügbar und nebenwirkungsarm ist“, so Feneberg.

Publikation in "JAMA Network Open": Perceptions of stress and mood associated with listening to music in daily life during the COVID-19 lockdown

(APA/red)

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