Noch nie sind in Österreich so viele Katholiken aus der katholischen Kirche ausgetreten wie im soeben abgelaufenen Jahr 2022.
Kirche ist heute oft nur als Teil eines zusammengesetzten Hauptworts zu lesen: Kirchenkrise. Die jetzt verbreiteten katholischen Austrittszahlen des Jahres 2022 mit dem negativen Topwert von 90.000 scheinen so recht gut in das Bild der Kirchenkrise zu passen.
Der Schein trügt. Nicht zunächst die Kirche befindet sich in der Krise. Die Krise ist tiefgehender, elementarer. Die Entwicklung der Mitgliedszahlen der katholischen Kirche in Österreich lässt auf etwas anderes schließen, und auch die der evangelischen Kirchen und auch die christlicher Religionsgemeinschaften anderer europäischer Länder: Die Daten sind Ausdruck einer Krise des Glaubens.
Eine Gotteskrise
Sie sind Ausdruck einer Gotteskrise, wie der vor drei Jahren verstorbene Theologe Johann Baptist Metz (dessen Verhältnis zu Kardinal Joseph Ratzinger nicht ungetrübt war und den Erhard Busek dereinst als Wissenschaftsminister für eine Gastprofessur nach Wien holte) formuliert hat: „Handelt es sich wirklich nur um eine ,Kirchenkrise', die sich kirchenreformerisch relativ einfach beheben ließe, wenn es nur weniger pastorale Ängstlichkeit und weniger klerikale Anmaßung gäbe? Wieso aber ist dann die evangelische Kirche, die solche Reformprobleme nicht hat, die weitaus modernitätsverträglicher wirkt als die katholische, von der schwelenden Krise ebenso betroffen? Die Krise sitzt offensichtlich tiefer. Ich nenne sie ,Gotteskrise'".
Daraus aber müssten Schlüsse gezogen werden. Es wird weder reichen, in Schockstarre gar nichts zu tun, noch, bloß oberflächliche Reformen anzuordnen.