Totenmasken
Mysterium

Die meistgeküsste Tote der Welt

Die Maske der „Unbekannten aus der Seine“ hing in unzähligen Wohnungen und inspirierte Künstler und Autoren. Doch handelte es sich wirklich um eine Pariser Ertrunkene? Die Zweifel mehren sich.

Ihre Augen sind geschlossen, ein leichtes Lächeln umspielt die Lippen in dem ebenmäßigen Gesicht: Die „L'inconnue de la Seine“, die Unbekannte aus der Seine, ist schön, und sie wirkt friedlich, auch wenn ihre Geschichte es nicht ist. Das Gesicht soll das eines Mädchens sein, vielleicht 16 Jahre alt, Ende des 19. Jahrhunderts leblos aus der Seine gefischt. Möglicherweise eine Selbstmörderin. Weil niemand wusste, wer sie war, soll ihr lebloser Körper ausgestellt worden sein – in der Leichenhalle in Paris, direkt hinter der Kathedrale Notre Dame. Die Toten wurden dort auf zwölf schwarzen Marmorplatten in den Schaufenstern präsentiert, damals eine gern besuchte Attraktion.

Illustration depicting corpses at the Paris morgue stored in chilled chambers Dated 19th Century PU
Illustration depicting corpses at the Paris morgue stored in chilled chambers Dated 19th Century PU(c) imago/UIG (imago stock&people)

Dann, so geht die Geschichte weiter, habe ein von ihrer Schönheit faszinierter Pathologe eine Totenmaske des Mädchens angefertigt. „Zwischen den Toten- und Lebensmasken berühmter Männer wie Beethoven und Oliver Cromwell“ sei das Gesicht sofort aufgefallen, schreibt der „Guardian“. Bald gab es Fotografien und Replikate der Maske. Die Gipswerkstatt Lorenzi in der Rue Racine 19 soll mit der Massenproduktion begonnen haben. Viele Menschen hängten das morbide Antlitz in ihre Wohnungen – und die Künstler der Pariser Boheme ließen sich von ihm inspirieren. Albert Camus beschrieb das Lächeln einmal als das einer „ertrunkenen Mona Lisa“.

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