Das muss man nicht verstehen

Gwen Stefani ist nun also Japanerin

Gwen Stefani auf der Bühne 2007.
Gwen Stefani auf der Bühne 2007.(c) Getty Images (Kevin Winter)
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„Ich bin Japanerin“, ist die Antwort der Sängerin auf Vorwürfe kultureller Aneignung.

Man trennt sich nur ungern von seinen Jugendidolen. Millenials - Menschen irgendwo zwischen Ende 20 und Ende 30 - kamen als Teenager an Gwen Stefani nicht so recht vorbei. Die einen wunderten sich über ihre 90s-"Alt-Girl"-Looks: bauchfrei, Crop-Top, Statement-Gürtel, Baggy-Cargohosen, pinke oder blaue Haarknödel. (Kam sie direkt vom Rave oder ging sie erst hin?)

Gwen Stefani in den 90ern.
Gwen Stefani in den 90ern.(c) Getty Images (Brenda Chase)

Die anderen zeigten sich erst von ihrer 2000er-Platin-Tolle und ihrem breiten Stilrepertoire, das sich von elegantem Pin-up-Girl über weißen Rap-Chic erstreckte, beeindruckt. Zumindest jaulte man aber mit, wenn im Radio der Song „Don't Speak“ ihrer Band No Doubt lief, ein Liebeslied über das Beziehungsende von Stefani und Band-Bassist Tony Kanal, später wippte man zu „Hollaback Girl“ am Lenkrad auf und ab.

Mit dem Musikvideo zum Lied ist man auch schon bei Stefanis zweifelhaftester Stilepoche angekommen: Während ihrer Solo-Karriere und rund um die Veröffentlichung des Albums „The Sweet Escape“ trat Stefani immer wieder in Videos und auf roten Teppichen mit vier jungen asiatischen Frauen, gekleidet in Harajuku-inspirierten Outfits, auf. Der in Shibuya (Tokio) gelegene Stadtteil war in den 80er-Jahren die Wiege des „Kawaii"-Stils: insbesondere junge Mädchen kleiden sich in schrillen Farben, puppenhaft, niedlich, mit Auslegungen von Gothic bis Lolita-Attitüde. Über Stefanis Make-up-Linie Harajuku Lovers wurde außerdem 2008 eine Duftkollektion mit fünf Parfüms veröffentlicht, die Flakons in den Formen der Sängerin und ihrer vier „Harajuku Girls“.

Gwen Stefani und die "Harajuku Girls"
Gwen Stefani und die "Harajuku Girls"(c) Getty Images (Frank Micelotta)

Schon damals wurde ihr Auftritt mit den vier asiatischen Komparsinnen kritisiert (wohlgemerkt: bei weitem nicht so breitenwirksam), durch den Diskurs rund um kulturelle Aneignung und ein kürzlich von „Allure Magazine" veröffentlichtes Interview mit Gwen Stefani rückte ihr damaliges Auftreten samt Entourage abermals ins Zentrum. Der Vorwurf beschränkt sich nicht einfach darauf, dass sich ihre Bewunderung für die japanische Kultur in ihrem Auftritt widerspiegelte. Sondern, als Unternehmerin habe sie sich einer fremden Kultur bedient, um damit Geld zu machen. Noch dazu sei das Kräfteverhältnis der beiden Kulturen in den USA nicht ausgewogen, viele asiatisch-amerikanische Menschen sind Opfer von Diskrimierung und Gewalt. Stefani könne sich aus ihrer Machtposition also freimütig am der japanischen Kultur bedienen, sie vielleicht auch falsch oder verzerrt darstellen, ohne die Benachteiligung durch die Gruppenzugehörigkeit jemals am eigenen Leib erfahren zu haben.

Ein „Superfan"

Angesprochen auf ihre „Harajuku Lovers“-Episode entgegnet Stefani, ihr Vater habe über Jahre in Japan gearbeitet. Als sie im Erwachsenenalter selbst nach Tokyo reiste, habe sie gewusst: „Ich bin Japanerin, ich wusste es nur noch nicht.“ Sie sei ein „Superfan“ der japanischen Kultur: „Wir lernen voneinander, wir teilen miteinander, wir wachsen aneinander. All diese Regeln trennen uns nur immer mehr voneinander“, führt die italienisch-amerikanische Sängerin aus. Und immer wieder wiederholt  sie: „Ich bin Japanerin". Die asiatisch-amerikanische Interviewerin wurde bei derlei Anmerkungen stutzig. Ob die Sängerin die Aussage wörtlich meinte oder sich nur im Geiste der japanischen Kultur nahe fühlte, ließ sich auch nach wiederholte Nachfrage nicht herausfinden.

No Doubt and ParamoGwen Stefani als No Doubt-Frontfraure Perform at The Gibson Amphitheatre
No Doubt and ParamoGwen Stefani als No Doubt-Frontfraure Perform at The Gibson Amphitheatre(c) Kevin Winter

Der Sängerin aus ihrem skurrilen Auftritt Anfang der 2000er nun als Mitglied der Mehrheitsgesellschaft einen Strick zu drehen, grenzt an Heuchelei. Zu leise war damals die öffentliche Kritik, zu sehr hat sich der gesellschaftliche Diskurs in wenigen Jahren gewandelt. Sehr wohl darf man sich allerdings an den Kopf greifen, wenn es um ihre rezenten Aussagen im „Allure“-Interview geht. Vielleicht waren die Aussagen unüberlegt, anders oder gut gemeint, auf eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem Thema weisen sie jedenfalls nicht hin. Damit verabschiedet sich das Werk der Sängerin für viele wohl von der Playlist „90s Idols“ hin in die Kategorie „Guilty Pleasures“.

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