Musik

Haydns Humor und militärischer Prunk nach Noten Mozarts

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Jubel für Sir John Eliot Gardiner und die English Baroque Soloists im Musikverein.

Drei Orchesterschläge, und das Prestissimo stürmt los – um gleich abzubrechen: Geräuschvoll stimmen die Geigen nach. Besonders bei der viel zu tiefen G-Saite jaulen die English Baroque Soloists kläglich, wozu Sir John Eliot Gardiner eine entsprechend sauertöpfische Miene aufsetzt. Dann erst kann der Satz weiterrasen . . . Das Finale von Joseph Haydns Symphonie Nr. 60, „Il distratto“ genannt, war also die Zugabe, und das Publikum im Musikverein jauchzte vor Freude über den in der Partitur exakt vorgeschriebenen Musikerscherz. Ein „Zerstreuter“ war da keineswegs am Werk, sondern ein wacher, die Pointen mit messerscharfer Präzision servierender Geist. Und dass Gardiner den kuriosen Stimmvorgang in dem bündigen Satz später knapp wiederholen ließ – diesmal auf eigene Faust, also nicht von Haydn gedeckt –, passte in einen Abend voller Überraschungen.

Deren Reigen hatte schon mit einem anderen Entrée begonnen. Von Haydns für London entstandener Es-Dur-Symphonie „mit dem Paukenwirbel“ waren die Gäste aus England auf das namenlose Es-Dur-Werk Hob. I:84 umgeschwenkt, das zu den sechs Pariser Symphonien gehört: ein merkwürdig labiles, immer wieder eingetrübtes Stück von hoher dramatischer Spannung, bei dem dennoch festliche Unbeschwertheit obsiegt. Da erlebte man die sozusagen klassischen Tugenden des englischen Originalklang-Stils: Fernab von extremen rhetorischen Aufladungen à la Harnoncourt tönte es frisch, mit gleichbleibendem Puls und schön gemischten Bläser- und Pizzicatofarben, etwa im langsamen Satz, wenn auch im Grundverständnis eher instrumental als eigentlich singend. Diese Hoffnung lösten dann vor allem Isabelle Faust und Antoine Tamestit ein, die Solisten in Mozarts Sinfonia concertante für Violine und Viola: sie mit mehrmals zum Seidenfaden zurückgenommenem, verletzlichem Ton, er mit klagender Sonorität – und zusammen in stets sensiblem Wechselspiel. Im tristen Andante glaubte man, Schatten durch die Unterwelt schreiten zu hören, abgelöst vom wieder heiteren Finale.

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