Eurobarometer-Umfrage

Österreichs Problem mit den Sanktionen gegen Russland

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BELGIUM-EU-SUMMIT-DIPLOMACYAPA/AFP/JOHN THYS
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Warum die heimische Bevölkerung weit weniger als die meisten anderen EU-Bürgerinnen und EU-Bürger hinter den Solidaritätsmaßnahmen für die Ukraine steht.

Ist es der Mythos der neutralen Insel, sind es die besonders großen nationalen Auswirkungen durch die Energiekrise, ist es eine prorussische Haltung in der Bevölkerung oder lediglich mangelnde Kommunikation der Regierung? Die Österreicherinnen und Österreicher stehen laut einer jüngsten Eurobarometer-Umfrage zwar mehrheitlich, aber im EU-Vergleich relativ zögerlich hinter den gemeinsamen Solidaritätsmaßnahmen für die Ukraine. Lediglich jede und jeder Vierte (24 %) stimmt den EU-Maßnahmen samt militärischer und humanitärer Hilfe für das umkämpfte Land sowie den Sanktionen gegen Russland voll und ganz zu. Ein weiteres Drittel (33 %) unterstützt sie immerhin teilweise. Damit rangiert Österreich im EU-Vergleich abgeschlagen im Schussfeld der Auswertung mit Ländern wie Ungarn, Zypern und Griechenland.

Ganz an der Spitze der Zustimmung stehen Finnland und Schweden, gefolgt von den Niederlanden und Dänemark. Auch Deutsche und Franzosen unterstützen die Solidarität mit der Ukraine weit stärker als die Österreicher. Während beispielsweise 91 Prozent der Bevölkerung des ebenfalls neutralen Irlands die Maßnahmen mehr oder weniger befürworten, sind es in Österreich insgesamt lediglich 57 Prozent. Der EU-Durchschnitt liegt bei 73 Prozent. Die größte Unterstützung verzeichnen Finnland und Schweden mit jeweils 96 Prozent.

Tatsächlich war Österreich durch seine relativ hohe Energieabhängigkeit – bei Gas waren es vor dem Krieg noch 80 Prozent – von den Auswirkungen der Russland-Sanktionen stärker betroffen als viele andere EU-Länder. Dies dürfte ein Grund für die relativ schwache Unterstützung der gemeinsamen Maßnahmen gewesen sein. Die politischen Parteien des Landes mit Ausnahme der FPÖ trugen die Sanktionspolitik der EU von Beginn an mit. Allerdings äußerste sich auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mehrfach kritisch. Im März des vergangenen Jahres, kurz nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine, bezeichnete er beispielsweise einen Boykott von

russischem Öl und Gas in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ als „realitätsfremd und falsch“. Allein schon die Diskussion darüber treibe die Energiepreise in die Höhe. Gründe und Ziele der letztlich mitgetragenen Sanktionen (für Öl wurde ein Boykott beschlossen, für Gas nicht) wurden von der Regierung nicht breit kommuniziert.

Vielleicht waren auch deshalb die befragten Österreicherinnen und Österreicher insgesamt mit der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Abfederung der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs weniger zufrieden als die meisten anderen EU-Bürger. Sehr zufrieden zeigten sich lediglich zwölf Prozent, einigermaßen zufrieden weitere 40 Prozent. Kritischer waren in diesem Fall die Deutschen, zufriedener hingegen die Ungarn. Am zufriedensten zeigten sich die Iren. Insgesamt 84 Prozent der Irinnen und Iren gaben an, mit der Zusammenarbeit der EU-Staaten in diesem Fall sehr oder weitgehend einverstanden zu sein.

Hinter der Hilfe für die Ukraine nach der russischen Invasion steht insgesamt eine deutliche Mehrheit der EU-Bürger von 74 Prozent. Nur sieben Prozent lehnen sie gänzlich und weitere 16 Prozent zum Teil ab. Auch bei dieser Fragestellung schnitt Österreich mit 60 Prozent deutlich schlechter ab als die meisten anderen Mitgliedstaaten. Schlechter liegen noch Griechenland und Bulgarien mit 48 Prozent. Von den osteuropäischen Ländern ist es Polen, dessen Bevölkerung am stärksten hinter der Ukraine steht. 85 Prozent sprachen sich für die EU-Hilfe aus.

Schlusslicht bei EU-Stimmung

Die kritische Haltung zur gemeinsamen Ukraine-Politik spiegelt sich auch in der skeptischen Stimmung der österreichischen Bevölkerung zur EU-Mitgliedschaft wider. Mittlerweile liegt Österreich dabei an der letzten Stelle aller EU-Länder. Nur 55 Prozent sind der Ansicht, dass ihr Land von der Mitgliedschaft profitiert. Im Vergleich schneiden Länder wie Malta, Irland, Luxemburg und Litauen mit mehr als 90 Prozent deutlich besser ab. Auch 87 Prozent der Polen, 78 Prozent der Ungarn und 71 Prozent der Deutschen sehen einen Mehrwert in der EU-Mitgliedschaft ihres Landes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2023)

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