Cher: "Es kribbelt wie am Anfang"

Cher kribbelt Anfang
Cher kribbelt Anfang(c) AP (Joel Ryan)
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Sie steht seit fast einem halben Jahrhundert auf der Bühne, mit "Burlesque" kehrt sie nun auch auf die Leinwand zurück: Pop-Ikone Cher im Gespräch mit der "Presse am Sonntag" über ihre Rolle als Varieté-Chefin.

Sie ist geschätzte 64 Jahre alt, glatt wie ein Teenie, seit fast einem halben Jahrhundert im Showbusiness erfolgreich – und hat jedes Recht, eine Legende genannt zu werden. Im Musikfilm „Burlesque“ (Kritik dazu morgen, Montag, im Feuilleton der „Presse“) lässt sich Cher nun wieder einmal auf der Leinwand sehen: Als Chefin eines Varietés, die einen neuen Star entdeckt – Christina Aguilera, die hier ihr Debüt als Schauspielerin feiert. Wir trafen die Ikone der Popkultur, ganz in schwarzes Leder gekleidet, im Berliner Hotel Adlon.

Es ist schön, Sie in „Burlesque“ wieder einmal auf der Leinwand zu sehen und zu hören. Warum haben Sie sich so lange, rund ein Jahrzehnt, damit Zeit gelassen?

Cher: Es kam einfach immer etwas dazwischen. Mir wurde schon eine Rolle in „Mamma Mia“ angeboten, die ich aber ablehnen musste, weil ich auf Konzerttour war. Außerdem ist es so, dass, wenn man länger nicht mehr in Filmen mitspielt, man regelrecht vergisst, wie viel Spaß es einem macht! Ich habe sieben Jahre lang durchgehend gearbeitet und es wirklich komplett vergessen. Als ich dann mit all diesen jungen Dingern auf der Bühne stand, die halb so alt sind wie ich und voller Enthusiasmus, musste ich zugeben, dass dies das perfekte Projekt für mein Leinwand-Comeback ist.

Regisseur Steven Antin brauchte Monate, um Sie für „Burlesque“ zu gewinnen. Warum haben Sie sich so gesträubt?

Ich konnte die Rolle erst nicht leiden. Tess war da noch ein Klischee, es ging immer nur darum, dass sie diesen Club verliert. Das war mir zu platt. Außerdem glaube ich, dass man sich auch im wahren Leben nicht unterkriegen lassen sollte. Dann haben wir aber das Drehbuch mehrmals umgeschrieben, und sie wurde lebendiger und interessanter.

Und dann wurde sie Ihnen sehr ähnlich?

Total. Sie ist genauso wie ich. Wenn ich auf meinen Musiktourneen um die Welt gereist bin, hatte ich auch 100 Leute um mich herum und war so et-was wie eine Varieté-Chefin. Man fühlt sich wie ein Dompteur im Zirkus. Man muss alles wissen und sich um alles kümmern. Es heißt ja: Der Fisch stinkt vom Kopf. Egal, was passiert, die Person oben sorgt dafür, dass alles funktioniert – oder eben nicht.

„Burlesque“ erzählt von den ersten Karriereschritten einer jungen Tänzerin und Sängerin. Können Sie sich an Ihre ersten Tage im Showgeschäft erinnern?

Oh ja. Ich war gerade 16, ziemlich naiv und habe diese Welt mit großen Augen bestaunt. Alles war neu. Ich muss aber sagen, dass ich heute noch genauso begeistert bin wie früher. Wenn es nicht so wäre, würde ich das auch nicht mehr machen. Ich müsste ja nicht mehr arbeiten. Aber die Aufregung, das Kribbeln – das ist immer noch so wie am Anfang.

Was bedeutet Ihnen die Musik? Ist sie in erster Linie ein Job, oder könnten Sie ohne Musik wirklich nicht leben?

Es ist immer noch so, dass es mich völlig umhaut, dass Musik aus mir herauskommt, wenn ich auf der Bühne den Mund aufmache. Wenn ich zum Beispiel für meine Shows Songs einstudiere oder mit der Band probe, macht das so viel Spaß! Ich wünschte, jeder könnte einmal erleben, wie überwältigend es ist, den Mund zu öffnen und Musik erklingen zu lassen. Das genieße ich schon, seit ich ein Kind war, und das hat sich bis heute nicht verändert.

Tess ist eine starke Showbusiness-Lady. Von wem wurden Sie in Ihrer Darstellung inspiriert – von Mae West?

Nein, gar nicht! (lacht laut auf) Ich war von mir selbst inspiriert. Aber ich bin Mae West einmal begegnet, das ist schon eine verdammt beeindruckende Lady.

Sie sind eine erfahrene Schauspielerin – im Gegensatz zu Christina Aguilera, die hier ihr Debüt gibt. Wie war Ihr Verhältnis?

Christina und ich kannten uns vor dem Dreh nicht. Wenn man „Cher“ hört und mich als Menschen nicht kennt, kann es schon sein, dass man etwas mit dem Namen verbindet, was nicht unbedingt der Wahrheit entspricht. Darum habe ich Christina ein SMS geschrieben. Mir war wichtig, sie wissen zu lassen: „Ich bin hier, um dich zu unterstützen und dich gut aussehen zu lassen. Ich werde dir kein Messer in den Rücken rammen, sondern dir den Rücken stärken.“ Ich werde nie vergessen, wie es bei „Silkwood“ war, da hat Meryl...

...Streep...

...mir am ersten Tag gesagt: „Ich bin so froh, dass du hier bist!“

Wie war es ohne das Rotlicht der Kameras: Haben Sie auch abseits des Sets etwas miteinander anfangen können? Konnten Sie sich austauschen oder sogar von Christina Aguilera etwas lernen?

Zwischen uns bestand gleich seit dem ersten Moment eine ganz besondere Verbindung. Ich fand sie schlicht umwerfend! Sie sieht toll aus, besitzt viel Energie und hat sich diesem Projekt völlig verschrieben. Das mag ich an ihr, dass sie bereit ist, jemandem zu vertrauen, und dass sie alles gibt.

In „Burlesque“ sind Sie Boss und Vorbild für Christina Aguileras Figur Ali. Hatten Sie auch solche Wegbereiter?

Sonny war natürlich auch ein Mentor. Ich hatte aber auch später immer wieder Menschen, die mir zur Seite standen. Der Musikproduzent David Geffen, mit dem ich früher einmal zusammen war, hat mir beispielsweise geraten, diesen Film zu machen.

Hören Sie noch auf Ratschläge?

Nicht immer. Ich kann sehr stur sein. Ich bin offen für Anregungen, weil ich in einem Team angefangen habe, aber wenn ich etwas nicht will, dann mache ich es auch nicht. Auf der anderen Seite gebe ich nicht auf, wenn ich an etwas glaube. Manchmal ist meine Sturheit eine Stärke, manchmal ist es eine echte Schwäche.

Sie können immer noch mit dem Sex-Appeal deutlich jüngerer Frauen mithalten. Wie wichtig sind Ihnen Schönheit und Sex-Appeal?

Entweder man ist sexy, oder man ist es nicht. Man kann es nicht zu sehr beeinflussen, denke ich, sonst wirkt es verkrampft. Ich fühle mich einfach wohl in meiner Haut. Wie auch immer– ich denke darüber nicht ständig nach. Ich lebe ganz einfach nur mein Leben.

Sie sind seit fünf Jahrzehnten im Geschäft. Gab es Momente, in denen Sie am liebsten alles hingeschmissen hätten?

Klar. Hunderte Male. Aber ich mache es einfach zu gerne, um es hinzuschmeißen. Klar kann man einmal müde werden, klar kann man einmal keine Lust haben, aber irgendetwas in mir hält mich dann wieder davon ab, ganz aufzuhören. Ich liebe das Gefühl, wenn ich auf der Bühne stehe und singe. Die Schauspielerei bietet andere Gefühle, aber auch die genieße ich.

Wie würden Sie diese Gefühle beschreiben? Was bedeutet Ihnen die Musik, was die Schauspielerei?

Musik sorgt für eine Stimmung: Man fühlt sich gut, hat das Gefühl zu schweben, oder sie bricht einem das Herz. Das ist Musik für mich. Für meine Schauspielauftritte nutzte ich oft Musik, um mich schneller in eine bestimmte Stimmung zu bringen oder eine besondere Gefühlslage zu erreichen. Die Schauspielerei ist für mich ein Blick in mein Inneres, meine Musik dagegen ein Blick nach außen. Musik befreit mich. Wenn ich auf der Bühne stehe und anfange zu singen, fühle ich mich, als wäre ich etliche Zentimeter größer. Und ich fühle mich vollkommen frei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2011)

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