Die Glaspaläste bekommen wieder Wände

Wo genau setzt man auf Glas? Und auf welches? Fragen, die in Dachausbauten immer mehr berücksichtigt werden.
Wo genau setzt man auf Glas? Und auf welches? Fragen, die in Dachausbauten immer mehr berücksichtigt werden. Getty Images/iStockphoto
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Wohnen mit Blick. Auch ganz oben muss schön langsam nicht mehr alles durchsichtig sein.

Wohnen mit Aussicht bedeutet im Luxussegment Glas, Glas und noch einmal Glas. In den vergangenen Dekaden sind echte Wände ganz oben gefühlt komplett aus der Mode gekommen. Es dominieren Kuppeln, gläserne Schrägen, komplett verglaste Fronten und – wenn noch Platz ist – gläserne Zwischenwände, die das Home-Office vom Wohnbereich trennen. Allerdings kommen die großen Aus- und unschönerweise oft auch Einsichten bekanntlich mit klimatischen Anforderungen daher, gerade auf dem Dach.

Am Puls der ESG-Zeit

Weshalb in den Zeiten vor der Energiekrise und den ESG-Kriterien hier beschattet, aber auch gekühlt wurde, was das Zeug hielt, und Dacheinheiten ohne Klimaanlage unverkäuflich wurden. Schön langsam schwingt das Pendel angesichts des wachsenden Bewusstseins, dass die Klimakrise wohl doch kein alleiniges Problem von Greta Thunberg ist, wieder zurück in die andere Richtung. Was nicht bedeutet, dass Glas ganz oben plötzlich verschwindet – aber zumindest wird genauer über die Frage nachgedacht, was es kann, wo es Sinn ergibt und welche neuen Technologien auf dem Markt sind.

„Die Industrie ist da wirklich ganz am Puls der ESG-Zeit“, berichtet Kathrin Einwaller, Geschäftsführerin von Einwaller und Fialik, „man tüftelt an Solarpaneelen, die sich integrieren lassen, Dachflächenaktivierungen oder Glas, das Strom produziert.“ Sie sieht ihre Zunft der Architekten in der Pflicht, Lösungen zu kreieren, die intelligent sind und sinnvoll – etwa, indem die Sonne als endlose Gratis-Energiequelle genutzt wird, aber auch bei den Grundrissen genau nachgedacht wird, wo welcher Baustoff eingesetzt wird.

Zuerst den Blick checken

„Natürlich will jemand, der aufs Dach zieht, einen wunderbaren Ausblick haben, und das soll die Architektur auch unterstützen“, so die Planerin und Interior-Designerin. Entsprechend habe Glas im Wohn- und Essbereich weiterhin auf jeden Fall seine Berechtigung. „Aber in Schlafzimmern kann man absolut mit kleineren Öffnungen arbeiten.“ Außerdem sei eine gründliche Vorbereitung hilfreich, um zu entscheiden, wo der Blick das viele Glas überhaupt lohne. „Daher ist es wichtig, im Vorfeld mit einer Drohne oder hohen Stativen zu schauen, wo Verglasungen sinnvoll sind.“

Auch die Begeisterung der Käufer für die Glaspaläste auf dem Dach geht inzwischen wieder etwas zurück, wie Sonja Kaspar, Leiterin Wohnen bei Otto Immobilien, berichtet. „Glaskobel in alle Himmelsrichtungen waren eine Zeit lang das Highlight“, sagt die Maklerin. Aber inzwischen gebe es nach ein paar Jahren, in denen man „in einem Glashaus gelebt hat und sich wie im Himmel vorgekommen ist“, durchaus den Trend zu mehr Wänden, an denen man Regale und Schränke aufstellen kann. Das spielt dem gewachsenen Bewusstsein für Nachhaltigkeit, das auch im Spitzensegment angekommen ist, in die Hände.

Wichtig für den Wiederverkauf

„Die Kunden sind kritischer geworden und machen sich mehr Gedanken, sowohl über die Grundrisse als auch die Frage, wo man Glas und wo man aus klimatechnischen Gründen lieber Mauern hat. Das war vor zwei bis drei Jahren im Luxussegment noch kein Thema. Da wurde im Sommer die Klimaanlage aufgedreht und es war egal, wie viel Energie das verbraucht hat“, sagt Kaspar. Neben dem guten Gewissen spielen dabei allerdings wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle, die weit über potenzielle Energiekosten hinausgehen: „Inzwischen weiß jeder, dass sich Bauprojekte mit schlechten Kennzahlen schlechter verkaufen, denn Kunden werden sich meist für das nachhaltigere Projekt entscheiden“, erklärt Einwaller. Allein schon deshalb, weil der Wiederverkaufswert künftig anhand dieser Kriterien berechnet werden wird. (SMA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2023)

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