Ökologie

Altlasten auf dem Grund von Österreichs Seen und Flüssen

Neusiedlersee: Schlammbeseitigung im vergangenen Sommer.
Neusiedlersee: Schlammbeseitigung im vergangenen Sommer.APA/ROBERT JAEGER
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Im Sediment eines Gewässers sind oft Nährstoffe gespeichert. Dies kann ein „Umkippen“ des Gewässers verhindern. Klimawandel und Landwirtschaft können die Nährstoffspeicher belasten. Der Wasser-Cluster Lunz untersucht die Rolle der Gewässersedimente im Wandel der Zeit.

Der Tod eines Gewässers beginnt mit einem Überangebot. Ein Zuviel an Nährstoffen kann das Gleichgewicht eines Ökosystems zum Kippen bringen. Erst vermehren sich Algen, dann Mikroorganismen ungehemmt. Letztere verbrauchen den Sauerstoff im Wasser, bis fast nichts mehr davon übrig ist. In weiterer Folge ersticken zuerst Fische, danach andere Wassertiere, wie Insektenlarven und Kleinkrebse. Ihre tote Biomasse wird von Bakterien zu Ammoniak und Treibhausgasen abgebaut. Nur wenige tolerante Arten und Bakterien überleben diesen Prozess. Das ursprüngliche Ökosystem ist tot, das Gewässer gilt als „umgekippt“.

Verursacher dieses Überangebots ist, wie so oft, der Mensch. Damit Ackerpflanzen schneller wachsen, werden sie mit Nährstoffen gedüngt. Diese Nährstoffe können durch Regenfälle in Gewässer gespült werden, wo sie ebenfalls das Pflanzen- und Algenwachstum erhöhen. Die Nährstoffanreicherung im Gewässer bezeichnet man als Eutrophierung, die ein Umkippen verursachen kann. Der Nährstoffeintrag passiert normalerweise in den niederschlagsreichen Monaten im Frühling und Herbst.

Wörtlich auf den Grund gehen

Forschende des Wasser-Clusters Lunz in Niederösterreich haben aber festgestellt, dass es auch im Sommer zu großen Nährstoffanreicherungen kommen kann. Der Grund ist hier möglicherweise wortwörtlich aufzusuchen. Nämlich im Sediment eines Gewässers.

„In sehr vielen Gewässern, die von Landwirtschaft oder Siedlungswirtschaft beeinflusst sind, haben wir Nährstoffe im Sediment lagernd. Das sind praktisch Altlasten“, sagt Gabriele Weigelhofer vom Wasser-Cluster Lunz. „Nährstoffe wie Phosphat binden sich an Mineralien oder werden von Lebewesen aufgenommen, die irgendwann sterben und zu Boden sinken“, erklärt die Forscherin. Die Nährstoffe werden so dem Wasser entzogen und im Sediment gebunden. Aber: „Wenn es zu extremen Dürreperioden, Niedrigwasser und Gewässererwärmung kommt, können die Nährstoffe rückgelöst werden“, sagt Weigelhofer. Damit würden die gespeicherten Nährstoffe frei und das Ökosystem auch im Sommer belastet.

Der Klimawandel spielt dabei eine große Rolle: „Bei höheren Temperaturen sind die Bakterien im Sediment aktiver, und die Bakterien sind wie wir, sie verbrauchen Sauerstoff“, so Weigelhofer. Gibt es nur noch wenig Sauerstoff, wird Phosphat aufgrund chemischer Prozesse aus seiner mineralisierten Verbindung gelöst und wieder an das Wasser abgegeben. Das Gewässer eutrophiert somit von innen. Sind darüber hinaus Wasserstände wegen Dürre niedrig oder Zuflüsse ausgetrocknet, wird wenig neuer Sauerstoff über Bäche in die Gewässer transportiert. Auch das begünstigt einen Sauerstoffmangel und damit die interne Eutrophierung, die ein Gewässer kippen lassen kann.

Feldarbeit in Ostösterreich

In dem dreijährigen Forschungsprojekt „Dirt“ (Drought Impact on Remobilization of Water Pollutants from River Sediments), geleitet von der Universität für Bodenkultur, werden die Forschenden des Wasser-Clusters Lunz verschiedene Sedimente in Niederösterreich, der Steiermark und dem Burgenland untersuchen. Dafür sammeln die Forschenden Wasser und Sediment und erwärmen beides zusammen unter Laborbedingungen: „Dann sehen wir uns an, was aus den Sedimenten herausgelöst wird und wie viel Sauerstoff verbraucht wird“, beschreibt Weigelhofer das Experiment. Im Sommer gleichen sie ihre Messungen mit den Stellen ab, an denen sie die Proben entnommen haben. Ziel ist es, die Rolle des Sediments bei der internen Eutrophierung zu bestimmen.

Klimawandel und landwirtschaftliche Nutzung verstärken den Prozess der Eutrophierung. Die „Feldarbeit“ findet daher nicht ohne Grund im Osten Österreichs statt: „Im Osten trifft beides zusammen. Landwirtschaft auf der einen Seite und extreme Dürrezeiten und massive Erwärmung auf der anderen Seite“, so Weigelhofer. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte sich die Temperatur in Österreich um fünf Grad erhöhen, so der aktuelle Sachstandsbericht des Intergovernmental Penal on Climate Change. Die Forschenden des Wasser-Clusters Lunz untersuchen, was das für die heimischen Gewässer bedeuten kann.

Lexikon

Die Wasserqualität der heimischen Seen und Fließgewässer gilt für den Menschen vielerorts noch als ausgezeichnet.

Für die Wasserbewohner sieht die Lage weniger gut aus. Mehr als 60 Prozent der Messstellen weisen einen unbefriedigenden oder schlechten Zustand betreffend des „Qualitätselements Fische“ aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2023)

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