Einstein-Doppelgänger treffen sich für einen Weltrekord-Versuch. Toronto, 2017.
Vorabdruck

Franzobels neuer Roman: Plötzlich fing Einsteins Gehirn an zu sprechen

Ein Provinz-Pathologe hat die Ehre, den an einem Aneurysma verstorbenen Einstein zu obduzieren, und klaut dabei sein Gehirn. Das mit ihm zu reden anfängt! Und zwar auf Schwyzerdütsch.

Ein Schiffbrüchiger ist alleine inmitten einer unendlichen Weite – umgeben von nichts als Horizont. Von oben setzt ihm die Sonne zu, von unten droht die Tiefe. Er klammert sich an alles, was er zu fassen kriegt. Bei Harvey waren es die Quäker. Einer spontanen Eingebung folgend, nahm er das Hirn mit zu einer Andacht der Gesellschaft der Freunde, nicht, um das Licht der Erkenntnis zu fühlen, die göttliche Stille, sondern um zur Ruhe zu kommen.

Der Versammlungsraum befand sich in einem alten Steinhaus unweit vom Institute for Advanced Study, wo Einstein und Gödel immer spaziert waren. Harvey begrüßte die Erlichs, Sully und Aileen, nickte den anderen zu und setzte sich auf eine der schlichten Holzbänke im spartanisch eingerichteten Saal. Da hingen keine Bilder an den Wänden, gab es weder Altar noch Heiligenfiguren, keine Kreuze, nicht einmal Kerzen, selbst die Vorhänge waren bieder und die Lampen ärmlich. Wie bei allen religiösen Zusammenkünften war die Atmosphäre völlig asexuell und weniger aufregend als eine Tupperware-Party. Niemand beachtete das Hirn. Die einen dachten, Harvey hätte einen Teil seiner Arbeit mitgebracht, die anderen, in dem Behälter wäre Eingemachtes.

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