Literatur

Annie Ernaux: So einfach könnte die Liebe sein

Annie Ernaux, Stockholm 2022.
Annie Ernaux, Stockholm 2022.Imago
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In der Erzählung „Der junge Mann“ berichtet Annie Ernaux von einer Amour fou.

Ich hatte schon oft Sex, um mich zum Schreiben zu zwingen. Ich hoffte, nachdem die heftigste Erwartung vorbei wäre, die des Orgasmus, würde sich die Gewissheit einstellen, dass es nichts Lustvolleres gibt, als ein Buch zu schreiben.“ So beginnt die schmale Erzählung „Der junge Mann“ von Annie Ernaux, die im vergangenen Herbst den Literaturnobelpreis erhalten hat. Die eruptiv frei gewordene Energie in das Schreiben zu investieren und sich auf dem Papier oder der Tastatur zu verausgaben, das hat sich für Ernaux tatsächlich ausgezahlt.

Ihre autofiktionale Schreibweise, ein Genre, das sie maßgeblich mitgeprägt hat, hat etwas Mitreißendes, leicht Atemloses. Niemals erzählt sie Belangloses, alle Begebenheiten, von denen die Autorin berichtet – schonungslos und mit lapidarem Humor, unaufdringlich unterfüttert mit sozialkritisch-philosophischem Unterbau –, führen zu Splittern einer Wirklichkeit, die man als Leserin oder Leser entweder genauso oder ähnlich erfahren hat oder ganz einfach nachvollziehen kann: „Etwas erlebt zu haben, egal, was es ist, verleiht einem das unveräußerliche Recht, darüber zu schreiben. Es gibt keine minderwertige Wahrheit. Wenn ich diese Erfahrung nicht im Detail erzähle, trage ich dazu bei, die Lebenswirklichkeit von Frauen zu verschleiern, und mache mich zur Komplizin der männlichen Herrschaft über die Welt“, sagt die „Ethnografin ihrer selbst“ in ihrem Buch „Das Ereignis“, in dem sie über die Abtreibung, für die sie sich als Studentin entschieden hat, berichtet.

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