Nach einer Pause von 13 Jahren hat Bret Easton Ellis wieder einen Roman vorgelegt: „The Shards“.
Buch der Woche

Bret Easton Ellis: American Psycho, aber freundlich

Bret Easton Ellis hat seinen Zynismus verloren, nicht jedoch seine Liebe zum Horror. Das Ergebnis ist eine empathische Coming-of-Age-Geschichte samt Serienkiller. Es ist sein bestes Buch – und das will etwas heißen.

Und so kurven wir durch die Hügel von L.A., wir nehmen die Avenue of the Stars und biegen links in den Santa Monica Boulevard ein, folgen dann dem South Beverly Glen Boulevard bis zur Bel Air Road, das geht flott, wir schreiben nämlich das Jahr 1981. Der 17-Jährige namens Bret, bei dem wir im Auto sitzen, dreht das Radio auf, es läuft „Funeral for a Friend“, dann „Love Lies Bleeding“, und ehrlich: Man hätte Lust, beim Lesen innezuhalten, auf Google Maps dem Straßenzug zu folgen, auf Spotify die Elton-John-Songs nachzuhören – und vielleicht haben wir das am Anfang der Lektüre auch immer wieder gemacht, weil wir noch tiefer eintauchen wollten in diese Welt, in der meistens Musik spielt und man oft im Auto sitzt, im metallic grünen Mercedes 450 SEL.

Doch mittlerweile sind wir auf Seite 575 und haben keine Zeit für Ablenkungen dieser Art: Zwei Mädchen sind grausam ermordet worden, ein Bursch aus Brets Klasse wurde gefoltert und dann im Swimmingpool ertränkt, am Beckenrand liegt der Kopf seiner toten Katze mit wie zum Hohn herausgestreckter Zunge. Ein Monster wütet in L.A.! Bret vermutet, dass Robert etwas damit zu tun hat, der gerade neben ihm auf dem Beifahrersitz lümmelt und den Rhythmus der Songs in der Luft mittrommelt. Wir ahnen Schlimmes. Doch Bret kommt noch einmal davon, nur der Hausherr der Party, zu der die beiden fahren, wird von einem Treppenabsatz im ersten Stock fallen und dann brüllend und mit verdrehten Beinen in der gefliesten Eingangshalle liegen.

Musik, Kino, Drogen, Mord

Der neue Roman, „The Shards“, von Bret Easton Ellis ist, obwohl die Hauptfigur seinen Namen trägt, natürlich nicht autofiktional oder nur zum kleinsten Teil. Aber er führt uns zurück in eine Zeit und an einen Ort, die dem Autor wohlbekannt sind, die er auch schon beschrieben hat, etwa in seinem Erstling „Unter Null“, mit dem er als 21-Jähriger auf sich aufmerksam machte. Was wir noch kennen: das Motiv des Serienkillers. Einen von ihnen hat Ellis in „American Psycho“ verewigt; es war ein Roman, der so polarisierte, dass Menschen ihn zerrissen, die sonst schon beim Gedanken, ein Buch im Altpapier zu entsorgen, blass werden. Ein zynisches, ein genaues, ein meisterhaftes Buch über die Untiefen der Seele und die dünne Luft hoch oben in der Yuppie-Blase.

Man hat Bret Easton Ellis oft vorgeworfen, seither nichts Neues geschrieben zu haben, seine Motive nur zu variieren, und ganz, ganz oberflächlich betrachtet könnte man das auch von diesem Roman behaupten: Musik, Filme, Drogen, Mord.

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