Wort der Woche

Wasserstoff-Forschung

Während Klimaschutz nun erst in der Politik ankommt, richtet sich die Wissenschaft schon seit langem darauf aus – wie das Beispiel Wasserstoff-Forschung zeigt.

Wohl niemals zuvor war eine Woche so sehr vom Klimaschutz dominiert: Aktivist:innen klebten sich täglich an neuralgische Punkte im Wiener Straßennetz; namhafte Forschende unterstützten deren Argumente lautstark; dazu erreichten uns Hiobsbotschaften in Form von Temperaturrekorden 2022; und die Bundesregierung beschloss – endlich – wirksame Maßnahmen zum Ausbau von Wind- und Solarstrom und von Biogas.

Es scheint, dass die Politik an einem Punkt des Problemverstehens angekommen ist, wo der Großteil der Bevölkerung schon seit Jahren steht – und die Wissenschaft bereits seit Jahrzehnten. Ein Beispiel: Laut einer eben veröffentlichten Patent-Statistik im Bereich Wasserstoff wächst seit rund 15 Jahren weltweit die Zahl der Erfindungen, die explizit in Zusammenhang mit Klimaschutz stehen, rasant. Derzeit sind 80 % aller neuen Patente zur Herstellung und Verwendung von Wasserstoff „grün“. Dabei liegt – das ist sehr erfreulich – Europa an der Spitze, gefolgt von Japan und den USA; China ist bei „grünem Wasserstoff“ hingegen weit abgeschlagen.

Einen faszinierenden Einblick, an welchen neuen Technologien in den Labors gearbeitet wird, lieferte diese Woche der in Cambridge forschende österreichische Chemiker Erwin Reisner. Schon in den vergangenen Jahren ließ Reisner durch die Entwicklung eines „künstlichen Blattes“ aufhorchen, das – inspiriert von der Fotosynthese in der Natur – aus CO2 und Wasser mithilfe von Sonnenstrahlung ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid produziert. Dieses „Syngas“ (das derzeit zu fast 100 Prozent aus fossilen Energieträgern hergestellt wird) ist Ausgangsmaterial für viele wichtige organische Substanzen, wie etwa Treibstoffe oder Plastik. Nun hat Reisners Team diese Klimaschutztechnologie mit einem zweiten hoch relevanten Problem verknüpft: mit dem stetig wachsenden Plastikmüllberg. In „Nature Synthesis“ (9. 1.) stellen die Forschenden einen fotoelektrochemischen Reaktor vor, der an der Anodenseite zerkleinerte PET-Trinkflaschen dazu nutzt, um auf der Kathodenseite aus CO2 nutzbringende Substanzen in sehr hoher Ausbeute herzustellen – angetrieben ausschließlich durch Sonnenlicht.

Der Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel wird uns in nächster Zeit noch viel abverlangen – solche Technologien, die zugleich mehrere unserer großen Zukunftsprobleme anpacken, werden uns dabei sehr helfen.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

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