Literatur

Eltern haften für ihre Kinder

Davide Longo ist einer der produktivsten und beliebtesten Autoren Italiens.
Davide Longo ist einer der produktivsten und beliebtesten Autoren Italiens. Paolo Giagheddu
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„Schlichte Wut“ von Davide Longo wird niemanden kalt lassen, der mit Jugendlichen zu tun hat – sei es als Erziehungsberechtigte, Lehrer oder Mitbürger. Eine Empfehlung.

Der Commissario hat auch schon bessere Tage erlebt. Seine Frau hat ihn verlassen, das Verhältnis mit seinen Kindern hält er eher schlecht als recht aufrecht und mit Mitte 50 wohnt er in Untermiete bei einer geizigen Witwe. Da ist es wohl kein Zufall, dass die automatische Glastüre ausgerechnet dann verschlossen bleibt, wenn er ins Kommissariat eilen will. „Scheißding.“

Wer sich nun einen Krimi aus der langen Reihe „Schlechtgelaunter Ermittler geht durch Lebenskrise, isst allein zu Abend und findet nebenbei einen Täter“ erwartet, wird bald überrascht. Ein Kommissar mit dem seltenen Namen Arcadipane lässt sich nicht so einfach in eine Schablone pressen. Davide Longo entwickelt in „Schlichte Wut“ eine packende und vielschichtige Geschichte, die niemanden kalt lassen wird, der mit Jugendlichen zu tun hat, sei es als Eltern, Lehrer oder Mitbürger.
Denn als Arcadipane es an diesem Morgen endlich ins Vernehmungszimmer schafft, sitzt da schon ein tatverdächtiger Junge, der mit Stiefeltritten eine kolumbianische Einwanderin in einer U-Bahn-Station in Turin grausam ins Koma befördert haben soll. Die Aufnahmen der Überwachungskamera sind eindeutig. Sie zeigen einen jungen Mann in Kimono und Gesichtsmaske, wie er die wehrlose Frau misshandelt. Augenzeugen bestätigen den Hergang. Der verdächtige Luca aber leugnet.

Und Arcadipane spürt, dass etwas an der scheinbar eindeutigen Lösung des Falls nicht stimmt. Er leuchtet das Umfeld des Jungen aus, was ihn in die beste Turiner Gesellschaft führt. Der vorbestrafte Luca hat ein Verhältnis mit der makellosen Clara, das von den Eltern – liberal, aufgeklärt, tolerant – heftig akklamiert wird: „Es gibt Söhne von Freunden, aus guter Familie, denen sie weniger trauen würden.“

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