Chat GPT

Künstliche Intelligenz: "Wird noch unseren Alltag auf den Kopf stellen"

Auch dieses Bild hat eine Künstliche Intelligenz (Dall-E) hergestellt. Mit dem folgenden Text: „Painting of the revolution of the artificial intelligence in news magazine cover style“.
Auch dieses Bild hat eine Künstliche Intelligenz (Dall-E) hergestellt. Mit dem folgenden Text: „Painting of the revolution of the artificial intelligence in news magazine cover style“.Dall-E
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Mit Chat GPT erfahren derzeit Menschen in aller Welt, was mit Künstlicher Intelligenz möglich ist. Sie lassen sich Texte verfassen, Reiserouten erstellen oder ganze Homepages programmieren. Viele sprechen von einer Revolution. Sind wir darauf vorbereitet?

„Schreibe mir einen Essay über die Zukunft der Städte im Stil von Franz Kafka.“ Und das Programm schreibt. „Verfasse mir ein Streitgespräch zwischen Sergey Brin und Larry Page über ihre Intentionen, die Welt zu revolutionieren.“ Und es schreibt. „Verfasse mir ein Bewerbungsschreiben für eine Stelle als Marketingmanager, ich bin 26 Jahre alt und habe bereits diverse Praktika absolviert.“ Und es schreibt. „Verfasse mir ein Filmskript, vorkommen soll eine Landgräfin und ein Jedi-Meister, spielen soll es im 17. Jahrhundert.“ Und es schreibt und es fragt nach, es tritt in Dialog und es gibt Rat. Das Sprachmodell Chat GPT zieht derzeit die breite Öffentlichkeit in ihren Bann.

Das Forschungsinstitut OpenAI hat mit Chat GPT eine Künstliche Intelligenz bereitgestellt, die Menschen gerade vor Augen führt, dass Künstliche Intelligenz längst keine Zukunftsmusik mehr ist. Als großes neuronales Netz ist es auf einen riesigen Kanon natürlicher Sprache trainiert und kann so nicht nur erstaunlich geschickt mit Sprache und Text umgehen, sondern zeigt zu beinahe jedem Thema individuell auf die Frage zugeschnittene und zugleich kompetent und intelligent anmutende Lösungsansätze auf. Dabei beantwortet es nicht nur Sachfragen und fasst komplexe Sachverhalte zusammen, sondern kann auch künstlerisch ausholen.

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Chat GPT: Macht künstliche Intelligenz bald dem Menschen Konkurrenz?

Lehrer vor Herausforderungen

Das funktioniert so gut, dass es mittlerweile schwierig ist, die von der Maschine ausgespuckten Inhalte von Beiträgen von Menschen zu unterscheiden, wie insbesondere Lehrer zu berichten wissen. „Ich hab es ausprobiert und mir von ihm meine Hausübungstexte schreiben lassen. Es hat jede einzelnen meiner Angaben übernommen, die Textsorte, die inhaltlichen Kriterien oder die Länge“, erzählt Englischlehrerin Sophie Klomser vom BRG Wels Wallererstraße. „Und als ich mir gedacht hab, das ist vom Niveau doch zu gut, da erkenne ich, dass das nicht meine Schüler gewesen sein können, hab ich gesagt, 'Dritte Klasse Gym, ungefähr Sprachniveau A2, und baue mir drei Fehler ein. Das hat funktioniert.“ Denn Chat GPT reagiert auf Nachfragen und merkt sich die zuvor besprochenen Inhalte. Die Übersetzungsprogramme im Internet würden ohnehin bereits tadellose Übersetzungen liefern, so Klomser. „Aber mit diesem Programm müssen die Schüler ja gar nichts mehr machen, weder denken noch kreativ sein.“

Im Lehrerteam überlege man miteinander, wie man reagieren soll, erzählt sie, „ob wir wieder auf Handschrift umstellen müssen, Texte nur mehr im Unterricht schreiben lassen, ob wir Aufgabenstellungen neu formulieren müssen oder generell, wie wir in Zukunft bewerten und benoten sollen.“ Verbieten soll und kann man das Programm jedenfalls nicht, schlussfolgert ihr Kollege Markus Schablinger. „Es liegt jetzt an uns, uns mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Es ist ganz klar, dass es unsere Schüler früher oder später verwenden. Wir werden da nicht drumherum kommen. Deswegen müssen wir mit diesen Technologien arbeiten und nicht dagegen, und gemeinsam mit ihnen reflektieren, was da gerade passiert.“ Das sieht auch Bildungspsychologin Christiane Spiel so: „Keinesfalls sollten wir es verbieten. Vielmehr braucht es einen proaktiven Ansatz. Man muss überlegen, wie kann man es nutzen, welche Vorteile hat es, worauf muss man achten und wo liegen mögliche Gefahren?“

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Eine künstliche Intelligenz schreibt erstmals längere sinnvolle Texte. Ist der Schulaufsatz damit am Ende? Für Literatur fehlt jedenfalls das Wesentliche.

Indem man sich gemeinsam mit den Schülern mit dem Programm beschäftigt, anstatt die Augen davor zu verschließen, kann dieser Schritt auch von einem Experten begleitet werden, so Spiel. Denn nur er kann beurteilen, ob stimmt, was es herausgefunden hat, oder nicht.“ Schüler könnten oft zwar nicht den Wahrheitsgehalt der Inhalte überprüfen, aber deren Glaubwürdigkeit. Sie können überprüfen, ob die Informationen glaubwürdig sind, woher sie stammen, ob man den Quellen trauen könne – denn diese gibt Chat GPT nicht an.

Richtig eingesetzt berge das Programm enormes Potenzial und könne Arbeit abnehmen. Nicht nur den Schülern, sondern auch den Lehrern.
So setzt es nicht nur Arbeitsaufträge um, sondern stellt solche auch selbst auf, schlägt Fragen zu einem Thema vor und korrigiert Texte. Markus Schablinger überlegt, es im Unterricht reflexiv einsetzen: „Dass wir zum Beispiel schauen, was die KI zu einem bestimmten Thema liefert und dann analysieren, was daran richtig und was fasch ist.“ Denn, so Schablinger: „Für mich war es extrem faszinierend, wie die Texte aufgebaut werden, wie klar geschrieben wird. Aber was mir auch schnell aufgefallen ist, sind die gravierend falschen Informationen, die es einbaut.“

Mit der Wahrheit nicht ganz so genau

Tatsächlich nimmt es das Programm mit der Wahrheit nicht ganz so genau. Immer wieder schleichen sich in die Antworten Fehler ein. Was man an dieser Stelle wissen muss: Der Datensatz, auf den das Modell trainiert ist, ist auf dem Stand von 2021. Zudem gibt es einen moralischen Leitfaden: So darf Chat GPT etwa kein rassistisches oder terroristisches Gedankengut verbreiten, keine Hetze betreiben oder keine politische Haltung einnehmen. Allerdings kann man diese Richtlinien auf unterschiedliche Art und Weise umgehen, wissen die Millionen von Menschen, die das Programm dieser Tage ausprobieren – wegen des großen Andrangs ist es auch immer wieder ausgelastet – und seine Grenzen austesten. So erfahren sie am Ende doch noch, wie man Molotowcocktails baut oder in ein Haus einbricht oder bekommen politische Reden präsentiert, die man beinahe vollständig übernehmen könnte.

Nicht vergessen werden darf, dass Chat GPT aktuell in einer Probephase ist, in der wir die Beta-Tester sind. Hinter den Kulissen arbeitet Open IA an einer neuen Version, die von uns und unseren Anwendungen, Daten, Rückmeldungen und Erfahrungen lernt. Um wie viel potenter diese sein wird, ist noch nicht abzuschätzen.

Potenzial, unseren Alltag zu revolutionieren

Das aktuelle Programm ist also nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Was es jetzt schon kann, geht weit über den Bildungsbereich hinaus. Für die Softwareentwicklung etwa eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten, denn Chat GPT beherrscht auch Programmiersprachen. Es generiert Quellcodes und kann Homepages nach individuellen Vorstellungen bauen. Es bereitet Interviews vor, schreibt wissenschaftliche Arbeiten, verfasst Werbetexte, beschreibt Produkte, setzt E-Mails auf, schlägt Ansprechpartner vor oder gibt Tipps für Recherche und Arbeitsablauf.

Und ist auch im Alltag ein hilfreiches Werkzeug. Es empfiehlt Rezepte, schreibt Songtexte und Gedichte (- über deren literarische Wert sich streiten lässt, siehe Beispiel am Schluss-), es verfasst Einladungen und Grußbotschaften, stellt Reiserouten zusammen oder hilft auf der Suche nach dem richtigen Geburtstagsgeschenk. „Ich sehe es als erstes Anzeichen eines gewaltigen Umbruches, in fast allen Lebensbereichen“, ist der Grazer Stefan B. überzeugt. Er will nicht mit vollem Namen genannt werden, weil er das Programm auch für seine Arbeit in einem Technologieunternehmen nutzt. Und hier habe man noch nicht darüber gesprochen, wie man mit diesen neuen Möglichkeiten umgehen werde. Aber nicht nur die Arbeitswelt werde es revolutionieren, sagt er. „Im Privaten versuche ich ein Kinderbuch zu entwickeln, wo ich mir zusammen mit der KI die Charaktere, die Geschichte, die Texte ausdenke. Ich unterhalte mich mit ihr wie mit einer zweiten Person und bekomme passende Vorschläge.“ Die Zusammenarbeit funktioniere gut, so der Grazer. Und ist überzeugt: „Dieses Programm wird unseren Alltag noch auf den Kopf stellen.“

Bald uns Menschen überlegen?

Viele Menschen reagieren berechtigterweise besorgt. Werden uns Technologien wie diese bald überlegen sein? Sind wir auf sie vorbereitet? In Ansätzen zumindest, meint Erich Prem von der TU Wien. Auch Fachleute könnten die Konsequenzen schwer abschätzen. Am wichtigsten sei, kein Gefühl der Unvermeidbarkeit der Entwicklungen aufkommen zu lassen. „Wir können und müssen gestalten, wie die Technologie und vor allem, wie KI eingesetzt werden soll. Das bedeutet, dass wir uns genau überlegen, wozu soll sie verwendet werden, welche Regeln sollen dabei gelten und wo wollen wir sie z.B. vorerst lieber nicht verwenden.“ Die EU etwa hat eine Kennzeichnungspflicht für KI-basierte Chatbots gefordert, wie sie bereits im Einsatz sind. Man soll wissen, mit wem man es zu tun hat. Zudem müsse man sich überlegen, wie mit den Rechten der Künstler umgegangen wird, auf deren Werke die Programme zurückgreifen, so der Informatiker.

Es sind jedenfalls noch viele Fragen offen, sagt auch Forscherin Johanna Pirker von der TU Graz. „Auf der einen Seite bestehe Neugierde und Freude, was damit alles möglich ist“. Auf der andere Seite gebe es aber auch Sorgen und Ängste. Diese könne man der Bevölkerung nur nehmen, wenn man ihr das Programm näherbringe und erkläre, wie es funktioniere. Und klar mache: So kreativ und innovativ wie wir Menschen ist es nicht. Immerhin greift es auf bereits bestehende Datensätze zurück - die von uns geschaffen wurden. „Das selber Denken, die starken Ideen, das wird uns die Maschine nicht nehmen.“ Chat GPT kalmiert auf Nachfrage übrigens ebenfalls: „Ich bin auf die Aufgaben beschränkt, für die ich trainiert wurde und muss von einem Menschen überwacht und gesteuert werden. Ich brauche euch Menschen ja genauso, wie ihr mich brauchen werdet."

Wenn der Chatbot ein Gedicht verfasst

Bitte verfasse mir ein Gedicht über Wien. Es soll im Stil von Joachim Ringelnatz geschrieben sein und lustig und heiter sein.

Wien, die Stadt der Kaffee und Kultur
voller Musik, Türme und Tore
Hier trifft man auf Kaiser und Boheme
in Straßen, die niemals leer sind,
immer voller Amore

Der Stephansdom thront hoch über der Stadt, ein Wahrzeichen
Das Riesenrad dreht sich langsam
aber schneller als die Wiener U-Bahn in der Rushhour

Die Oper, das Burgtheater sind Orte voller Leidenschaft
Doch auch in einfachen Kaffeehäusern findet man das echte Wiener Leben
inklusive Wiener Schmäh und unbeschwerter Art

Wien, du bist eine Stadt voller Charme
mit einer Vergangenheit, die niemals stirbt
Ich liebe deine Wiener Schnitzel, Sachertorte, deine Weingärten und deine Lieder
Und wenn ich jemals fortgehe
werde ich immer an dich denken

Denn Wien, du bist mein Zuhause
Meine Liebe zu dir wird niemals wanken, denn in Wien fühlt man sich zuhause, wo auch immer man herkommt.

Auf einen Blick

Bei Chat GPT handelt es sich um ein Sprachmodell des US-Unternehmens OpenAI, hinter dem einst unter anderem Elon Musk stand. CEO ist heute der Programmierer Sam Altman. Derzeit soll Microsoft über eine Beteiligung verhandeln und zehn Milliarden Dollar investieren.

Seit November ist der Chatbot für die Öffentlichkeit zugänglich und liefert ihr zielgerichtete Antworten, schreibt auf Wunsch Texte oder generiert HTML-Codes. Er wurde praktisch mit dem gesamten Inhalt des Internets trainiert und kann so viel, dass es die Gesellschaft vor neue Herausforderungen stellt: Wie sollen wir damit umgehen? In einigen Schulen in den USA wurde der Zugang bereits verboten, um Missbrauch zu verhindern.

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