Gastkommentar

Ist Gewinnorientierung für Verlage ein Muss?

Von der Herausforderung, in Österreich ein gewissenhaftes und soziales Fachmagazin für Klassik zu gründen.

Der Autor

Stephan Burianek (* 1976) ist Journalist und lebt in Wien. Er arbeitete in den Presseabteilungen von Tanzquartier Wien und Bayreuther Festspiele und schrieb Reise- und Klassikkritiken für Tageszeitungen und Kulturmagazine im gesamten deutschsprachigen Raum. 2021 hat er das Nonprofit-Medium Opern.news gegründet, eine Webplattform inklusive einer Online-Bibliothek für den deutschsprachigen Opernraum.

Erst kürzlich wurde ihr die Problematik wieder bewusst, erzählte mir eine Frau, die in der Pressestelle eines deutschen Staatstheaters arbeitet. Sie hatte das Redaktionsteam eines Fachmagazins für einen Bericht über eine anstehende Uraufführung gewinnen wollen. Das könne man schon machen, lautete die Antwort, allerdings nur gegen Schaltung einer Anzeige. Dafür hatte die Presseverantwortliche allerdings kein Budget, das Magazin berichtete nicht.

Viele wissen das nicht: Selten finanzieren sich sogenannte Special-Interest-Magazine über den Zeitschriftenverkauf in der Trafik oder über Abos, stattdessen liegt der Erlösanteil der Anzeigen oftmals bei 90 Prozent oder gar mehr. Das führt zu Abhängigkeiten, und in vielen Fällen bestimmen die Anzeigenkunden, bewusst oder unbewusst, über den redaktionellen Inhalt. Eigentlich müssten Texte, die von Dritten finanziert werden, als „Advertorials“ gekennzeichnet werden. Das passiert allzu häufig nicht. Solche gekauften Texte, die von den Auftraggebern in der Regel gegengelesen und abgesegnet werden müssen, erscheinen dann „getarnt“ als ganz normale redaktionelle Beiträge.

Es schwankt die Qualität

Vielleicht schlimmer noch ist der vorauseilende Gehorsam: Als ich in meiner Zeit als Chefredakteur eines deutschen Opernmagazins eine Titelgeschichte über die damals vielleicht weltbeste Mezzosopranistin Elisabeth Kulman bringen wollte, wurde mir das von der Verlagsinhaberin schlichtweg verboten. Als Mitbegründerin und Sprachrohr des Vereins Art but fair, der sich für eine faire Behandlung freischaffender Künstler und Künstlerinnen einsetzt, war Kulman zugleich „die #MeToo-Anführerin“, hieß es, und eine Geschichte über sie wäre ein „schlechtes Signal für unsere Anzeigenkunden“. Ich sagte das Interview ab, sprach mit einer weniger verfänglichen Künstlerin und verließ das Magazin.

Unabhängiger Journalismus ist eine wichtige Grundsäule unserer Demokratie, und Journalisten haben eine dementsprechende Verantwortung. Das mag jedem einleuchten, und doch wird es vor allem nicht angestellten, freischaffenden Journalisten nicht eben leicht gemacht, grundlegende journalistisch-ethische Grundsätze zu befolgen. Sie verdienen einfach zu wenig.

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