Proteste halten an

Braunkohle in Lützerath soll ab März oder April abgebaggert werden

Ein Umweltaktivist seilt sich im Rollstuhl von einer Brücke ab.
Ein Umweltaktivist seilt sich im Rollstuhl von einer Brücke ab.APA/dpa/Roberto Pfeil
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In und rund um Lützerath gibt es weitere Klima-Proteste. Zwei Aktivisten harren noch im Tunnel aus. Der Energiekonzern RWE will die unter Lützerath liegende Kohle noch im Frühjahr abbaggern.

Nach der fast vollständigen Räumung des deutschen Protestdorfes Lützerath durch die Polizei haben Klimaaktivisten und -aktivistinnen in der Gegend weiter mit Aktionen gegen den Braunkohleabbau protestiert. Im rund 20 Kilometer entfernten Tagebau Hambach wird seit den frühen Morgenstunden ein Schaufelradbagger besetzt, wie ein RWE-Sprecher am Montag mitteilte. Außerdem seilten sich Klimaaktivisten in Rollstühlen von einer Autobahnbrücke bei Lützerath ab.

Der Bagger im rheinischen Braunkohlerevier habe den Betrieb eingestellt, sagte ein RWE-Sprecher. Es seien insgesamt vier Menschen auf dem Bagger. Die Polizei sei informiert.

Nach Angaben der Protestgruppe "Gegenangriff - für das gute Leben" haben acht Aktivisten den Bagger besetzt. Mit der Aktion wolle man sich mit den Menschen im Dorf Lützerath solidarisch zeigen. Zudem kritisierte die Gruppe das dortige Vorgehen der Polizei und forderte die Vergesellschaftung der Energieproduktion.

Gut vier Kilometer Luftlinie von Lützerath entfernt seilten sich außerdem Klimaaktivisten von einer Autobahnbrücke ab. Es handle sich um insgesamt fünf Personen, zwei davon im Rollstuhl, sagte ein Polizeisprecher. Der Verkehr auf der Autobahn 44 lief während der Aktion weiter, auf der Landstraße unter der Brücke ging dagegen nichts mehr.

Zwei Aktivisten verließen Tunnel

Die zwei zuletzt noch verbliebenen Klimaaktivisten haben den Tunnel unter der Siedlung verlassen. Die Räumung durch die Polizei sei damit beendet, der Rückbau der ehemaligen Siedlung werde "in den kommenden Tagen" abgeschlossen, hieß es vom Energiekonzern RWE.

Die meisten Gebäude waren am Sonntag schon abgerissen - darunter auch der Bauernhof von Bauer Eckardt Heukamp, des letzten Landwirts von Lützerath.

Nach dem vollständigen Abriss will der Energiekonzern RWE die darunter liegende Kohle abbaggern. Man erwarte, dass der Rückbau noch acht bis zehn Tage dauere, sagte ein Firmensprecher der "Rheinischen Post" (Montagsausgabe). "Im März oder April könnte der Tagebau dann das frühere Dorf erreichen und abbaggern."

Gegenseitige Schuldvorwürfe

Unterdessen haben sich Aktivisten und Polizisten gegenseitig Gewalttätigkeit vorgeworfen. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) nahm Sonntagabend die Polizei in Schutz. Diese habe "hochprofessionell" gearbeitet, sagte er in der ARD-Talkshow "Anne Will". Die deutsche Aktivistin Luisa Neubauer widersprach dem, aus ihrer Sicht war der Einsatz unverhältnismäßig gewalttätig.

Er werde aber jeden Fall von unangemessener Polizeigewalt untersuchen lassen. "Wir haben ein, zwei Filme im Netz gesehen, wo wir sagen: 'Das sieht nicht gut aus.' Das werden wir uns genau anschauen, da haben wir auch Strafanzeige gestellt vorsichtshalber, weil ich finde, das muss gecheckt werden", berief er sich auf die Praxis der letzten Jahre. Es sei aber nicht so, als wären bei der Demo massenhaft "wild gewordene Polizisten" unterwegs gewesen. Von den Veranstaltern der Demo hätte er sich gewünscht, sich klar von Gewalt zu distanzieren, aber das sei nicht geschehen.

Polizeieinsatz „in keiner Weise professionell"

Klimaaktivistin Luisa Neubauer widersprach dem und warf der Polizei in der Sendung einen unverhältnismäßig gewalttätigen Einsatz vor. "Das sah in keiner Weise professionell aus", kritisierte sie - und verwies darauf, dass nach Angaben einer Sanitäterin der Demonstranten viele Menschen von der Polizei schwer verletzt worden seien. Der Protest dagegen sei friedlich gewesen.

Am Rande der Großdemo hatten laut Polizei rund 1000 großenteils vermummte "Störer" versucht, auf das abgesperrte Gelände von Lützerath vorzudringen. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Zwölf Personen wurden fest- oder in Gewahrsam genommen. Nach Polizei-Angaben wurden neun Aktivisten mit Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Eine Sprecherin des Sanitätsdienstes der Demonstranten hatte aber gesagt, es sei eine "hohe zweistellige bis dreistellige Zahl" von Teilnehmern verletzt worden.

(APA/dpa)

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