Verwaltungsreform: "Ein Drittel der Bezirke einsparen"

Verwaltungsreform Drittel Bezirke einsparen
Verwaltungsreform Drittel Bezirke einsparen(c) Michaela Bruckberger
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Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung Markus Beyrer hält Staatsorganisation für unzeitgemäß und drängt die Koalition zum "Wahrheitsbeweis". Ein "Presse"-Interview.

Die Presse: Wir stehen am Anfang von zwei Jahren ohne Wahlen. Was sind Ihre drei Wünsche an die Reformfee?

Markus Beyrer: 2011 muss das Jahr der großen Strukturreformen werden, weil wir ein Budget ja nur ausgabenseitig in den Griff bekommen werden. Sonst laufen uns die Kosten weiterhin davon. Es braucht eine Bildungs-, Gesundheits-, Pensions- und auch Verwaltungsreform. Wobei die Verwaltungsreform ein ständiger, mühsamer Prozess ist. Da werden wir nicht auf Knopfdruck fünf Milliarden Euro lukrieren.

Wo würden Sie ansetzen? Und wie viel ist drin?

Unter anderem bei den öffentlichen Bediensteten. 514.000 Aktive haben wir derzeit. Eine Lohnerhöhung um einen Prozentpunkt kostet 240 Millionen Euro. Es bräuchte auch ein neues Dienst-, Besoldungs- und Beamtendienstrecht. Es kann nicht sein, dass das Bruttoeinkommen der öffentlich Bediensteten von 2000 bis 2008 um 38,6 Prozent, jenes im nicht geschützten Bereich aber nur um zehn bis zwanzig Prozent gestiegen ist. Es wird zu einer Angleichung der Beiträge, die geleistet werden, kommen müssen. Ebenso bräuchten wir eine Flexibilisierung bei den Einsatzmöglichkeiten der Bediensteten. Probleme gibt es da unter anderem bei der Post, der Telekom und den ÖBB. Und anzugehen sind auch die vielen Pragmatisierungen im Lehrerbereich.

Bund oder Länder: Wer soll die Lehrer, auch jene an den höheren Schulen, künftig verwalten?

Das Heil liegt sicher nicht in einer Verländerung der Lehrer. Aber sowohl eine zentrale Verwaltung in Bundesstellen als auch eine subsidiäre Lösung mit mittlerer Bundesverwaltung sind denkbar. Das Wichtigste sind einheitliche Ziele und Kontrollmechanismen, auch als Basis für die Finanzausgleichsverhandlungen. Derzeit sind viele Zahlen, die die Länder liefern, nicht vergleichbar. Darum bräuchten wir durchgängig ein System der doppelten Buchführung mit gleichen Kontenstrukturen.

Bund, Länder, Bezirke, Gemeinden – stimmt das System noch für Sie, so, wie es ist?

Na ja. Wir haben 99 Bezirksverwaltungsbehörden und 2357 Gemeinden für 8,4 Millionen Einwohner. Die Bezirke gehen immer noch auf die Zeit von Maria Theresia zurück, als die Bezirkshauptstadt innerhalb eines Tages mit dem Ochsenkarren zu erreichen sein sollte. Das ist sicher nicht mehr zeitgemäß. Jedenfalls ein Drittel unserer jetzigen Bezirke könnte man einsparen. Und ein Drittel bis die Hälfte der Gemeinden, die könnte man zusammenlegen mit einer Untergrenze von 5000 oder 10.000 Einwohnern.

Brauchen wir Landtage? Und den Bundesrat?

Auf allen Ebenen wird ein Beitrag zum Sparen geleistet werden müssen. Aber zentral ist viel eher, dass eine Lösung gefunden wird, mit der wir die Länder, die in Österreich faktisch viel Macht ausüben, auch tatsächlich in die Verantwortung einbinden. In den vergangenen zehn Jahren haben die Länder den Stabilitätspakt mit dem Bund nie eingehalten.

Soll mehr Macht zum Bund?

Ich bin niemand, der sagt, dass alles gut ist, was zentral ist. Aber mit Doppelgleisigkeiten muss Schluss sein. Siehe Gesundheitssystem: Wir brauchen hier die Finanzierung aus einer Hand und damit eine Bündelung der Finanzströme bei den Spitälern und beim niedergelassenen Bereich.

Die Reform der Pensionen beziehungsweise die Hacklerregelung halten Sie für verantwortungslos . . .

Ja, da wurde eine große Chance versäumt. Die Anhebung des faktischen Pensionsalters ist für uns das Wichtigste, derzeit gehen 80 Prozent vor dem gesetzlichen Regelpensionsalter. Das ist unfinanzierbar. Eigentlich hätte es ein Ausschleifen der Hacklerregelung auf Null bis 2013 gebraucht. Dass man jetzt diskutiert, ob die Regelung 2030 oder 2050 endgültig weg sein wird, ist kabaretthaft.

Sitzen die Falschen in der Regierung?

Das entscheiden die Wähler. Aber eine Bundesregierung müsste den Gesamtstaat schon in wesentlichen Fragen vorantreiben und in der Verfolgung ihrer Ziele einig sein. In den nächsten zwei Jahren, ohne Wahlen, muss etwas passieren, es gibt keine Alternative. Weil wir derzeit strukturell noch gut dastehen gegenüber anderen Ländern, können wir auch die Bevölkerung mitnehmen in diesem Prozess. Das Hauptargument für eine Große Koalition war immer, dass sie in der Lage ist, große Probleme zu lösen. Diesen Wahrheitsbeweis wird sie jetzt antreten müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2011)

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