Biennale: Eine russische Dissidentin vertritt Österreich

Anna Jermolaewa in der Gmundner Hipphalle, im Rahmen der Salzkammergut Festwochen Gmunden.
Anna Jermolaewa in der Gmundner Hipphalle, im Rahmen der Salzkammergut Festwochen Gmunden.(c) IMAGO/Rudolf Gigler (IMAGO/Rudi Gigler)
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Anna Jermolaewa bespielt 2024 in Venedig Österreichs Pavillon. Seit vier Jahren ist die aus Russland geflohene Künstlerin Professorin auf der Kunstuni Linz.

Alles in Österreich fing für sie am Westbahnhof an, schlafend auf einer der Bänke in der Ankunftshalle. In einem Video wird sie diese Situation später einmal versuchen nachzustellen. Gut 25 Jahre danach gibt Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) bekannt, dass diese Anna Jermolaewa, die 1989 als junge Frau aus Russland fliehen musste, weil sie u. a. Mitbegründerin der ersten oppositionellen Partei der Sowjetunion war, Österreichs offizielle Vertreterin bei der Kunst-Biennale in Venedig 2024 sein wird.

Jermolaewa war sichtlich gerührt bei der Präsentation am Montag im MAK. Die Künstlerin ist eine politisch und sozial stark engagierte Figure der österreichischen Kunstszene. Nachdem Russland den Krieg gegen die Ukraine begann, fuhr Jermolaewa etwa sofort zur Grenze, um Flüchtende abzuholen, verkaufte eine Edition für die Ukraine-Hilfe (im Rahmen ihrer MAK-Ausstellung über das verlorene Naturparadies in Tschernobyl, die „Presse“ berichtete). Als Professorin an der Kunst-Uni Linz organisiert sie Hilfe für viele ukrainischen Künstlerinnen und Künstler, von denen einige in ihrer Klasse untergekommen sind. Der Krieg habe ihr das Herz zerrissen, sagt sie, auch ihre Tochter sei halbe Ukrainerin.

Jermolaewa legte einen beachtlichen, von vielen Preise gepflasterten Weg in Österreichs Kunstbetrieb hin. Dabei sei es, gab sie an, eigentlich Zufall gewesen, dass sie damals in Österreich gelandet ist. Fünf Jahre habe es gedauert, bis sie die Aufnahme auf die Wiener Kunst-Akademie geschafft hatte, parallel dazu studierte sie Kunstgeschichte. Jermolaewas Werk beschäftigt sich in Installation, Video, Fotografie und Zeichnung mit Themen von Individualität und Masse, dem (möglichen) Agieren des Einzelnen in Diktaturen, durchaus humorvoll. Der Biennale-Beitrag werde entsprechend „A Language of Resistance“ heißen.

Beworben hat Jermolaewa sich mit Gabriele Spindler, Leiterin der Abteilung Kunst- und Kulturwissenschafen der OÖ Landes-Kultur GmbH, die auch Jermolaewas bis 5. März noch im Schlossmuseum Linz laufende Retrospektive kuratiert hat (auch hier berichtete die „Presse“); Budget ist 550.000 Euro. 37 Künstlerinnen und Künstler, so Mayer, hatten sich für diese 60. Biennale Venedig (20. 4. bis 24. 11. 2024) beworben. Eine Jury aus fünf renommierten Expertinnen aus der Kunstwelt wählte aus – die Männer, so Mayer, die für die Jury angefragt waren, hatten diese Aufgabe allesamt abgelehnt.

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Anna Jermolaewa stieß im Straflager auf Pussy Riot, als sie der Geschichte ihrer Familie nachspürte. Die Kunst der Austro-Russin ist politisch. >> Krems: Protest der Kuscheltiere

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