Allerhand Schlüpfriges wird seit der Veröffentlichung von „Spare“ diskutiert. Gehaltvolle Kritik bleibt in der medialen Debatte unerwähnt.
Seit einer Woche ist die Autobiografie des abtrünnigen Prinzen Harry auf 16 Sprachen erhältlich. Und während die teils pikanten Details aus den immerhin 500 Seiten dicken Memoiren reges Interesse weckten, sorgte die teilweise tief emotionale und therapeutisch anmutende Aufarbeitung von Harrys bisherigem Leben für hochgezogene Augenbrauen und Spott.
Nicht nur in Buchhandlungen, sondern auch in den Medien, vom britischen Boulevard angefangen bis hin zu den Seiten hochwertiger Feuilletons, dreht sich seither alles um Harry und seine Niederschrift, die gemeinsam mit Ghostwriter J. R. Moehringer, einem Pulitzer-Preisträger, verfasst wurde.
Auch hierzulande sorgten etwa Harrys jugendliche Pläne, Skilehrer in Lech am Arlberg werden zu wollen, für deutlich mehr Aufmerksamkeit als einige zentrale Kritikpunkte des Prinzen an den Medien und deren Manier. Während eine brisante Enthüllung die nächste jagt, bekommt das zentrale Thema, bei dem Harry nach jeder Banalität wieder landet, nur wenig Aufmerksamkeit: die Praktiken der hetzerischen, auflagenstärksten und damit einflussreichen Medien und deren enges Verhältnis zum Palast. Auch die Kritik an der kolonialen Vergangenheit des britischen Königshauses fand in Berichten kaum Erwähnung. Wohl auch, weil sie vor allem eines war: undifferenziert.
Die falsche Aufmerksamkeit
Statt abermals einem weißen, medial überrepräsentierten Adeligen zuzuhören, sollten Lesezeit und Aufmerksamkeit jenen Geschichten und ihren Erzählerinnen gebühren, die ohnehin kaum Gehör finden. So die Kritik in den sozialen Medien, die sich unter den Hashtags #decolonizeliterature oder #diversifyreading findet. Samt Vorschlägen, welche Bücher man denn anstelle von Prinz Harrys Biografie lesen könnte, nämlich Bücher nicht-weißer Autorinnen oder Autoren.