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Neuer deutscher Verteidigungsminister Pistorius will "Bundeswehr stark machen"

Boris Pistorius wird Verteidigungsminister.
Boris Pistorius wird Verteidigungsminister.APA/dpa/Moritz Frankenberg
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Boris Pistorius, bisher Innenminister in Niedersachsen, hat sich in den vergangenen Jahren einen Ruf als kenntnisreicher Fachpolitiker erworben. Kritik kommt von der CDU: "Erneut spielen Sachkompetenz und Erfahrung mit der Bundeswehr keine Rolle."

Der künftige deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius will die Angehörigen der Bundeswehr bei der Modernisierung der Truppe "ganz eng" mitnehmen. Der SPD-Politiker versicherte am Dienstag in Hannover, dass er sich vor die Soldaten stellen werde. Er übernehme das Amt sehr gern und wisse um dessen Bedeutung in schwierigen Zeiten. Die Aufgaben für die Truppe seien gewaltig. "Ich will die Bundeswehr stark machen", betonte Pistorius.

Er erwartet eine rasche und "hervorragende Personalentscheidung" über seine Nachfolge als niedersächsischer Innenminister von Ministerpräsident Stephan Weil (ebenfalls SPD). Der 62-Jährige sagte weiter, er gehe das neue Amt mit Demut und Respekt an. Es sei eine große Ehre für ihn. Er wolle sich vom ersten Tag an zu 150 Prozent in die Arbeit stürzen. Der zurückgetretenen Ministerin Christine Lambrecht (SPD) bescheinigte er, dass sie den Anfang für die Neuaufstellung der Bundeswehr gemacht habe.

Lambrecht hatte am Montag um Entlassung gebeten. Ihr Nachfolger Pistorius soll am Donnerstag vom deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunde erhalten und im Bundestag vereidigt werden.

Vorschusslorbeeren von Scholz und Baerbock

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz ist davon überzeugt, dass die Bundeswehr mit Pistorius gut auskommen wird. "Ich bin überzeugt, dass das jemand ist, der mit der Truppe kann, und den die Soldatinnen und Soldaten sehr mögen werden", sagte er am Dienstag in Brandenburg an der Havel. Deshalb sei er sehr dankbar, dass der bisherige niedersächsische Innenminister Ja zu der Aufgabe gesagt habe.

Pistorius verfüge über sehr, sehr viele Erfahrungen in der Sicherheitspolitik, betonte Scholz. Er habe schon in seiner bisherigen Funktion sehr offen und eng mit der Bundeswehr zusammengearbeitet. Zudem sei Pistorius jemand, "der auch die Kraft und Ruhe besitzt, die man für eine so große Aufgabe angesichts der jetzigen Zeitenwende braucht".

Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) betonte, sie freue sich auf die Zusammenarbeit mit Lambrechts Nachfolger. Sie "setze und baue darauf, dass wir das, was wir zwischen Verteidigungsministerium und Auswärtigem Amt in diesen nicht einfachen Zeiten in der Vergangenheit gemeinsam vertrauensvoll geleistet haben, auch jetzt zukünftig weiter fortführen werden", sagte sie in Brandenburg an der Havel.

Der Name Pistorius fiel eher selten

Die bisherige Verteidigungsministerin hatte nach gut einem Jahr im Amt ihren Rücktritt erklärt. In den vergangenen Tagen waren mehrere andere Namen als mögliche Nachfolger genannt worden, darunter Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, SPD-Chef Lars Klingbeil und die Wehrbeauftragte Eva Högl. Pistorius war nun eine Überraschung.

Der niedersächsische Innenminister gilt als erfahrener Polit-Manager. Im Kreis der Innenminister von Bund und Ländern hat sich Pistorius in den vergangenen Jahren einen Ruf als kenntnisreicher Fachpolitiker erworben. Auch wenn er stets in Niedersachsen blieb, war er auch an der innenpolitischen Positionierung der Bundes-SPD in Wahlkämpfen und an Koalitionsverhandlungen beteiligt.

Bei den Innenministerkonferenzen machte es dem als pragmatisch geltenden Pistorius immer sichtlich Freude, sich mit Konservativen wie dem früheren deutschen Innenminister Horst Seehofer (CSU) auf offener Bühne zu streiten, schlagfertig, mit spitzen Bemerkungen, aber nie respektlos. Zur Idealbesetzung für den Posten des Verteidigungsministers macht Pistorius vielleicht auch sein Alter. Mit 62 Jahren kann ein Politiker schließlich ganz entspannt das Chefbüro im Bendlerblock beziehen, das gemeinhin als Schleudersitz und damit auch als potenzieller Karrierekiller gilt.

Lob auch von FDP-Chef Lindner

Die Partner der SPD in der Ampel-Koalition lobten die Personalie. Finanzminister Christian Lindner gratulierte Pistorius umgehend. In einem Tweet sprach der FDP-Chef von seinem "neuen Kabinettskollegen Boris Pistorius". "Vor allem mit der Umsetzung des Sondervermögens liegt eine große Aufgabe vor uns", schrieb er. Er freue sich auf eine gute Zusammenarbeit von Finanz- und Verteidigungsministerium.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr lobte die Entscheidung ebenfalls. "Ich bin davon überzeugt, dass er der richtige Mann für das Amt des Verteidigungsministers ist", sagte er dem Nachrichtenportal t-online. Er kenne ihn aus seiner Zeit im niedersächsischen Landtag und habe ihn als Innenminister dort stets geschätzt. "Herr Pistorius hat langjährige Erfahrung mit der Struktur unserer Sicherheitsbehörden, zudem war er selbst bei der Bundeswehr. Ich bin davon überzeugt, dass er der richtige Mann für das Amt des Verteidigungsministers ist und die Zeitenwende mit Leben füllen kann", sagte Dürr.

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) begrüßte die Ernennung des Niedersachsen. "Boris Pistorius ist ein sehr erfahrener Politiker, der in schwierigen Situationen über die nötige Nervenstärke verfügt." Pistorius übernehme das Verteidigungsressort "in sehr entscheidenden Zeiten". "Es sind auch kurzfristig wichtige Entscheidungen zu treffen, insbesondere die drängende Frage, wie wir die Ukraine in ihrem Recht auf Selbstverteidigung weiter unterstützen. Deutschland trägt hier eine Verantwortung und muss große Aufgaben bewältigen", erklärte Habeck.

CDU an Scholz: „Nimmt Zeitenwende nicht ernst"

Aus der Union wiederum kam Kritik an der Personalie. "Der Bundeskanzler zeigt damit, dass er seine eigene Zeitenwende nicht ernst nimmt", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul (CDU), der Deutschen Presse-Agentur. "Erneut spielen Sachkompetenz und Erfahrung mit der Bundeswehr keine Rolle", kritisierte Wadephul. Bei der Personalie handle es sich um eine "Besetzung aus der B-Mannschaft". Damit sei Kanzler Scholz "eine echte Überraschung gelungen. Nur leider keine gute." Um die Bundeswehr voranzubringen, brauche man nicht nur Geld, sondern auch Sachverstand. "Angesichts der Lage wird Boris Pistorius keine 100 Tage Einarbeitung haben können", betonte Wadephul.

Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt erinnerte an den Zeitdruck wegen liegen gebliebener Projekte. Verlorene Zeit muss aufgeholt werden", sagte Dobrindt am Dienstag in Berlin. Pistorius trete eine herausfordernde Aufgabe an, zu dem ihm die CSU Erfolg wünsche.

Die Baustellen des Ressorts

Lambrecht hinterlässt Pistorius eine ganze Reihe von Baustellen. So steht die Modernisierung der Bundeswehr unter anderem mit Hilfe des 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögens erst am Beginn. Bisher wurden erst Verträge über gut zehn Milliarden Euro geschlossen. Die Aufrüstung hatte Kanzler Scholz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar vergangenen Jahres verkündet.

Unklar ist auch noch, wie es mit den Waffenlieferungen an die Ukraine weitergeht. Nachdem die Regierung in Berlin zuletzt die Lieferung von Marder-Schützenpanzern beschlossen hatte, drehen sich die aktuellen Debatten darum, dem angegriffenen Land Leopard-Kampfpanzer bereitzustellen. Bereits am Freitag ist für den neuen Minister ein Treffen mit den westlichen Verbündeten der Ukraine auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz geplant, bei dem es um die weitere Unterstützung für Kiew gehen soll.

Pistorius wurden immer wieder Ambitionen für ein politisches Amt auf Bundesebene nachgesagt. Es gab beispielsweise Gerüchte, er könnte deutscher Innenminister werden, falls Nancy Faeser bei der Landtagswahl in Hessen als Spitzenkandidatin für die SPD antreten sollte.

Mit der Entscheidung für Pistorius hebelt Scholz seinen eigenen Anspruch aus, seine Ministerriege paritätisch zu besetzen. Bisher waren es acht Männer und acht Frauen, nun werden es neun Männer und sieben Frauen sein - der Kanzler selbst nicht mitgezählt. SPD-Chef Lars Klingbeil betonte am Dienstag, dass die Frage der Parität von Männern und Frauen weiterhin wichtig bleibe - dem Bundeskanzler und der SPD-Spitze.

(APA/dpa/Reuters)

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