Arizona-Attentäter vor Gericht "mental voll da"

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ArizonaAttentaeter Gericht mental vollJared Lee Loughner (c) AP (Pima County Sheriff's Dept. via The Arizona Republic)
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Jared Lee Loughner ist einem Haftrichter vorgeführt worden. Der zuvor als "geistig verwirrt" dargestellte 22-Jährige schien die Situation vollauf zu begreifen. Auf die Fragen des Richters antwortete er mit Ja.

Jared Lee Loughner vor Gericht
Jared Lee Loughner vor Gericht(c) EPA (Joan Andrew)

Von mehr als einem Dutzend US-Marshalls bewacht ist zwei Tage nach dem Attentat von Arizona Todesschütze Jared Lee Loughner erstmals vor Gericht erschienen. Bei dem 15-minütigen Haftprüfungstermin wurde der 22-Jährige am Montag in Phoenix zu seinen Personalien befragt, Der Richter las ihm die Anklagepunkte sowie das möglich Strafmaß vor. Eine Freilassung gegen Kaution wurde abgelehnt.

Loughner habe den Eindruck vermittelt, alles verstanden zu haben, berichtete ein CNN-Reporter. "Er war mental voll da, wusste genau, was vor sich ging." Er habe selbstbewusst gewirkt. Der an Händen und Füßen gefesselte Todesschütze sei dem Richter gegenüber freundlich gewesen und habe sich gut ausgedrückt. An seiner rechten Seite seines kahlgeschorenen Kopfes sei eine Wunde sichtbar gewesen, hieß es.

Todesstrafe für Loughner?

Die nächste Anhörung wurde für den 24. Jänner anberaumt. Der Todesschütze wird von Anwältin Judy Clarke vertreten, die nach Angaben der "New York Times" bereits "Unabomber" Theodore Kaczynski und Zacarias Moussaoui, einen Komplizen der Anschläge vom 11. September 2001, verteidigte. Zunächst war unklar, ob die Staatsanwaltschaft die Todesstrafe fordert. Der Attentäter ist des mehrfachen Mordes und versuchten Mordes angeklagt.

Obama reist nach Arizona

US-Präsident Barack Obama will am Mittwoch nach Tucson reisen, um die Opfer des Attentats zu ehren. Es sei eine noch nicht näher bestimmte Art von Gedenkzeremonie geplant. Details hätten zunächst nicht festgestanden.

Am Montag wurde eine Schweigeminute für die Opfer abgehalten. Obama und seine Frau Michelle traten um 11 Uhr (Ortszeit) aus dem Weißen Haus und gedachten mit gesenkten Köpfen der Toten und Verletzten der Bluttat. Die Fahnen in Washington D. C. waren auf Halbmast gesetzt.

"Ich habe voraus geplant"

Loughner hatte den Anschlag auf die Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords, der am Samstag in ein Blutbad mit sechs Toten und 14 Verletzten mündete, anscheinend gezielt geplant. Bei einer Durchsuchung im Haus Loughners fanden die Beamten in einem Safe entsprechende Hinweise. Unter den Funden war ein Briefumschlag mit verschiedenen "Botschaften" Loughners. Sie enthielten Formulierungen wie "Mein Attentat", "Ich habe voraus geplant" und auch den Namen der demokratischen Kongressabgeordneten.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatte der Attentäter die Pistole für die Tat im November in einem örtlichen Waffengeschäft gekauft. Zwei Monate zuvor war er aus einem College-Kurs geflogen. "Er war eine Bedrohung", erinnert sich sein damaliger Lehrer Ben McGahee. Beim Schreiben an der Tafel habe er Loughner immer aus dem Augenwinkel im Visier behalten. "Ich hatte Angst, er könnte eine Waffe ziehen." Loughners  bizarres Verhalten hätte von lautem Gelächter bis zu wirren Ausbrüchen gereicht.

Studentin Lynda Sorenson erzählt, dass sie von Anfang an beunruhigt wegen Loughner war. Er sei mit einem "verrückten Grinsen" in der Klasse gesessen und wiederholt auf dem Schulhof im Kreis herumgegangen, "immer und immer wieder". Sie habe Angst gehabt, dass Loughner gewalttätig werden könne, schrieb Sorenson in einer E-Mail.

Auch Loughners frühere Klassenkameradin Caitie Parker äußerte sich über Twitter: "Ich glaube, er versank langsam in einer psychotischen Krise. Etwas in ihm ist gebrochen. Er war nicht immer so." Demnach habe Loughner zuletzt gerne über Prophezeiungen der Maya diskutiert, denen zufolge die Welt 2012 untergehen werde. Parker schrieb weiter, Loughner habe die Punkband "Anti-Flag" gemocht und linken Sichtweisen zugestimmt.

Täter von Verschwörungstheorien überzeugt

Schulfreunden zufolge hatte Loughner vor drei Jahren Gifford bei einer Veranstaltung gefragt: "Was ist die Regierung, wenn Worte keine Bedeutung haben?". Gifford habe darauf nicht viel zu sagen gewusst. Loughner habe sich furchtbar aufgeregt, sagte ein Freund. Er habe immer großes Misstrauen gegen die Regierung gehegt und sie einer Art Verschwörung verdächtigt. So sei er davon überzeugt gewesen, dass die US-Regierung hinter den Anschlägen vom 11. September 2001 stehe und ein einheitliches Währungssystem für die ganze Welt plane.

Die örtliche Behörden gehen indes einer möglichen Verbindung des Verdächtigen zu der Online-Gruppe American Renaissance nach, die für ihre ausländerfeindliche Rhetorik bekannt sei. American Renaissance gehört nach Angaben von SPLC, einer gemeinnützigen US-Organisation mit dem Ziel der Rassismusbekämpfung, zu der rechtsextremen New Century Foundation. Dessen Gründer Jared Taylor bestritt jedoch am Sonntag jegliche Verbindung zu dem mutmaßlichen Schützen.

Zeugin verhindert "größere Katastrophe"

Loughner hatte das Schuss-Attentat am Samstag vor einem US-Einkaufszentrum im Tucson verübt und war danach noch am Tatort verhaftet worden. Patricia Maisch hatte zuvor verhindert, dass er seine Waffe nachladet. "Das Magazin fiel auf den Gehsteig. Ich griff danach und hatte es vor ihm", schildert sie gegenüber CNN. Nach dem Einsatz der Frau stürzten sich mehrere Zeugen auf den Attentäter.

Ärzte: "Wunder", dass Gifford überlebte

Giffords Gesundheitszustand blieb indes unverändert kritisch, stabilisierte sich zwei Tage nach dem Anschlag allerdings. Ärzte nannten es "ein Wunder", dass die 40-Jährige den glatten Kopfdurchschuss überhaupt überlebt habe. Sie könne hören, verstehen und befolge Anweisungen, sagte Mediziner Peter Rhee. Das zeige, dass Denkprozesse "auf einem ziemlich hohen Niveau" funktionierten. Die Politikerin gehöre zu einer "sehr kleinen Gruppe", die eine solche Verletzung überlebten, hieß es von den Ärzten. Giffords habe nach Aufforderung zwei Finger gehoben und die Hand gedrückt.

Freizügiges Waffengesetz in Arizona

In Arizona gilt ein sehr freizügiges Waffengesetz. Jeder der sein achtzehntes Lebensjahr vollendet hat und gegen den keine Einträge wegen einer Verurteilung in einer US-Bundesdatenbank vorliegen, kann im Staat Arizona Handfeuerwaffen kaufen - bundesweit ist das Tragen in den USA erst ab dem 21. Lebensjahr erlaubt. Wer eine Waffe kaufen will muss lediglich seine Fingerabdrücke abgeben und sechzig Dollar Kaution leisten.

Das verdeckte Tragen einer Waffe ist in Arizona fast überall gestattet. Ein Arizona-Regierungsgebäude bewaffnet zu betreten ist gestattet - auch auf Schul- oder Universitätsgeländen sind Waffen ausdrücklich erlaubt. In Bars ist das Tragen von Waffen nur bei Verzicht auf Alkohol legal. Geschäfte dürfen selbst entscheiden, ob sie in ihren Lokalen oder auf ihrem Gelände Waffen dulden oder nicht. Ausnahmen von dem freizügigen Waffenumgang gibt es im Waffengesetz dennoch in bestimmten Bereichen: In Wartezimmern von Ärzten ist das Tragen von Waffen ausdrücklich verboten - so auch in Kraftwerken oder Gefängnissen.

(Ag./Red.)

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