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Harald Mahrer: „Die Energie-Wende darf kein Industrie-Ende sein“

(c) Clemens Fabry
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WKO-Präsident Harald Mahrer fordert von Politik, die Rahmenbedingungen für den Industriestandort gezielt zu stärken.

Die Presse: Herr Präsident, für die Unternehmen hat ein weiteres herausforderndes Jahr begonnen – und die aktuellen Probleme, Energiekosten, Inflation und Teuerung, sind nicht kleiner geworden. Jetzt sind die Unternehmen mit Lohnabschlüssen von durchschnittlich sieben, acht Prozent konfrontiert. Wie zuversichtlich kann man da nach vorn blicken? Wie geht sich das alles für unsere Firmen aus?

Harald Mahrer: Ja, das Jahr wird fordernd – aber unsere Betriebe werden daraus das Beste machen, wenn sie dafür die notwendigen Rahmenbedingungen haben. Bei den Energiekosten haben wir mit dem Energiekostenzuschuss II eine weitere wichtige Verbesserung im Kampf gegen die Teuerung erreicht. Bei der zweiten großen Herausforderung, dem Fach- und Arbeitskräftemangel, muss die Regierung rasch in die Gänge kommen. Wir dürfen kein Zehntel Wachstum verschenken, weil unseren Betrieben die Arbeitskräfte fehlen.

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„Austria's Leading Companies“ wird von der „Presse“-Redaktion in voller Unabhängigkeit gestaltet und erscheint in Kooperation mit dem KSV1870 und PwC Österreich.

ALC wird unterstützt von A1, Casinos Austria, Commerzbank, DONAU Versicherung und dem Wiener Städtische Versicherungsverein, Škoda, TÜV AUSTRIA, Zero Project sowie der Wirtschaftskammer Österreich.

Früher waren Konjunkturprognosen berechenbarer. Heute rechnen wir immer öfter und müssen revidieren. In den jüngsten Prognosen für heuer erwarten Wifo und IHS nur ein Wachstum knapp über der Null-Linie, also eine Stagnation. Wie viel Druck ist im Kochtopf?

Das Problem ist, dass zu wenig Druck im Wachstum-Kochtopf ist. Daran müssen wir arbeiten und alle Wachstumshürden beseitigen. Dazu gehört auch eine Politik, die vom Krisen- in den Zukunftsmodus schaltet und sich offensiv zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts bekennt. Wer den Betrieben neue Lasten aufbürden will – etwa unter dem Titel Klima oder Vermögensbesteuerung –, ist auf dem falschen Dampfer unterwegs. Entscheidend sind jetzt positive Stimmungsmacher und Anpacker, wie sie bei ALC im Mittelpunkt stehen. Unsere Betriebe schreiben im Export, bei Umwelttechnologien und in vielen anderen Bereichen internationale Erfolgsgeschichten. Die gehören vor den Vorhang, weil sie Mut machen und zeigen, dass Wachstum und Erfolg auch unter fordernden Bedingungen möglich sind.

Die Europäische Union hat sich seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine rasch um Sanktionen bemüht, in der Energiefrage war über Monate aber keine Einigkeit zu sehen. Was muss sich ändern?

Gerade auf europäischer Ebene müssten wir schneller in die Gänge kommen – vom Markt-Design für Strompreise bis zur gemeinsamen Einkaufspolitik im Energiebereich. Bei der Migration muss klar sein, dass wir uns aussuchen, wer kommt, um den Arbeitskräftebedarf besser decken zu können. Und bei der Digitalisierung ist wichtig, dass wir nicht nur Daten schützen, sondern sie auch verantwortungsvoll nützen wollen. Auf europäischer Ebene ist es generell wichtig, Politik im Großformat zu denken und wirksam umzusetzen. Dann werden wir auch nicht hinterherhinken, sondern vorausgehen. Unser Platz ist nicht die Zuschauerbank der Wirtschafts- und Weltgeschichte. Wir wollen und müssen auf dem Spielfeld ganz vorn dabei sein, damit unser Wirtschafts- und Lebensmodell eine gute und sichere Zukunft hat.

In den Pandemiejahren hat die „Gießkanne“ relativ schnell geholfen. Aber das hat auch zu „Überförderung“ geführt. Das locker sitzende Geld des Bundes hat die Staatsschuldenquote auf zwischenzeitlich mehr als 80 Prozent getrieben. Sollte jetzt wieder jeder, der aufschreit, bedient werden?

Mit dem Mythos von der „Überförderung“ kann ich nichts anfangen. In der Pandemie wurde Betrieben die Existenz gesichert und damit Hunderttausende Arbeitsplätze gerettet. Mit den neuen Energiehilfen wurde jetzt ein wichtiger Schutzschirm aufgespannt, der jenen zugutekommt, die es brauchen – vom Bäcker bis zum Industriebetrieb. Wer behauptet, dass die heimischen Unternehmen von den Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen Geschenke bekommen, lebt in einer anderen Realität. Das zeigen allein die Zahlen der Steuerleistungen der Betriebe.

Bereitet Ihnen eine hohe Staatsverschuldung Sorge, da jetzt die Zinsen Geld kosten? Oder kann man das riskieren, weil die hohe Inflation auch die Schulden frisst?

Das Ziel muss bleiben, mittel- und langfristig einen nachhaltigen Budgetpfad zu beschreiten. Das ist auch für die künftige Handlungsfähigkeit in Krisenfällen wichtig. Man muss außerdem klar sagen: Für die Transformation der Wirtschaft, für die Klima- und Energiewende werden wir weiter investieren müssen. Wir brauchen daher Erleichterungen und Anreize, damit die Unternehmen als wesentlichster Umsetzer dieser Wende auch investieren können.

Glauben Sie, dass die unsichere Wirtschaftslage und die steigenden Kreditzinsen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen heuer bremsen könnten?

Die Investitionsbereitschaft der heimischen Unternehmen hat sich in Krisenzeiten als robust erwiesen, wie u. a. die erfreulichen Ergebnisse des aktuellen WKO-Wirtschaftsbarometers zeigen. Ich bin zuversichtlich, dass das auch 2023 so sein wird. Entlastung und Planungssicherheit sind dafür unverzichtbar. Umso wichtiger ist die von uns durchgesetzte Unterstützung bei den Energiekosten. Ein positiver Indikator ist natürlich auch die weiterhin hohe Bereitschaft der Betriebe, Fachkräfte zu beschäftigen.


Wie sehr trifft die Abkehr von Russland unsere Wirtschaft? Unter unseren Top-10-Exportländern ist Russland nicht. Und beim Import geht es praktisch nur um Energie?

Nicht nur. Außer Öl und Gas hat Österreich in den vergangenen Jahren vor allem Metalle sowie Holz aus Russland importiert. Dafür gibt es zwar alternative Lieferanten, aber natürlich zu höheren Preisen.

Wie klein könnte Russlands Rolle als Handelspartner für uns und die EU werden? Könnte Russland Auslöser dafür sein, andere Abhängigkeiten in politisch instabilen Regionen zu prüfen und Alternativen aufzubauen?

Russland war von 2012 bis 2013 unter den Top-10-Exportländern Österreichs. 2022 war es nur mehr an 19. Stelle. Das wird sich erwartungsgemäß noch weiter nach unten verschieben. Bei vielen Rohstoffen, nicht nur bei Öl und Gas, zählt Russland zu den wichtigsten Produzenten und hat relevante Anteile der Weltproduktion, etwa bei Nickel oder Aluminium. Umso wichtiger sind eine diversifizierte Rohstoff-Strategie und die bessere Nutzung heimischer Bodenschätze – Stichwort Lithium. Die große Gefahr durch die Energiewende besteht ja darin, dass wir uns in neue Rohstoff-Abhängigkeiten, etwa von China, begeben. Das müssen wir verhindern.

Mit der Pandemie, dem Krieg in der Ukraine und der lange Zeit restriktiven Null-Covid-Politik in China fordern viele, Schlüsselproduktionen zurück nach Europa zu holen. Fordern Sie das auch? Und geht das so leicht?

Die Krisen der vergangenen Jahre haben uns generell gezeigt, dass wir mehr für europäische Technologiesouveränität tun müssen. Was Österreich betrifft, sollten wir mehr Gelder auf EU-Ebene abholen, um diese in Bereiche mit hohem Innovationspotenzial und strategischer Bedeutung wie zum Beispiel Halbleiter zu investieren. China will in Reaktion auf das US-Embargo die Halbleiterbranche mit 136 Milliarden Euro fördern, die USA schnüren ein 52 Milliarden Euro schweres Investitionspaket für die Chip-Produktion. Wir dürfen hier in Europa nicht ins Hintertreffen geraten.

Worin liegen die wirtschaftlichen Stärken der Europäer? Wo sollen und können sich Österreichs Unternehmen profilieren?

Aus Österreich kommen viele Nischen-Stars und extrem spannende Unternehmen. Viele Betriebe sind heute schon Treiber des doppelten Wandels, um den Übergang zu einer grünen und digitalen Wirtschaft zu beschleunigen. Unsere Umwelttechnik-Branche stößt international auf großes Interesse. Neun von zehn Wirtschaftsdelegationen, die zu uns kommen, interessieren sich dafür.

Die Energiewende weg von fossilen Brennstoffen hin zu grüner Energie sorgt für Druck im Standortwettbewerb. Wie groß ist die Gefahr einer Deindustrialisierung?

Fakt ist, dass mehr als zwei Drittel aller Umweltauflagen die Unternehmen betreffen. Eine Deindustrialisierung durch die politische Hintertür muss um jeden Preis verhindert werden. Im Gegenteil: Die Politik muss die Rahmenbedingungen für den Industriestandort gezielt stärken. Denn unser Ziel in Österreich kann es definitiv nicht sein, zum Öko-Alpendisneyland ohne Wertschöpfung und Jobs zu werden. Die Energie-Wende darf kein Industrie-Ende sein.

Wenn wir die Energiewende bis 2030 schaffen wollen – 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energiequellen –, würde das laut Energieexperten bedeuten, dass wir noch schnell ein paar große Flusskraftwerke brauchten, noch zweimal so viele Windräder und zehnmal so viele PV-Anlagen, wie wir jetzt haben. Das ist nicht realistisch. Warum sagt das keiner?

Alle führenden Vertreter der Energiewirtschaft weisen darauf hin, dass wir maßgeblich an Geschwindigkeit zulegen müssen, um die Energiewende zu schaffen. Hierzu zwei Zahlen: Sollen die österreichischen Energieziele für 2030, also Klimaneutralität bei Strom, erreicht werden, müssen jährlich rund 2,5 Milliarden Euro in den Ausbau der Erneuerbaren und weitere 1,8 Milliarden in Netzinfrastruktur investiert werden. Es muss ordentlich gebaut werden, wir brauchen schnelle Verfahren. Dass die Regierung hier endlich einen Zahn zulegen will, ist ein Signal in die richtige Richtung.


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