Kastilien und León

Herzschlag anhören: Rechtspartei will in Spanien Abtreibung erschweren

Ein Bild aus der Privatklinik Dator in Madrid, die Schwangerschaftsabbrüche durchführt.
Ein Bild aus der Privatklinik Dator in Madrid, die Schwangerschaftsabbrüche durchführt.REUTERS
  • Drucken

Die populistische Partei Vox will härtere Maßnahmen gegen Schwangerschaftsabbrüche in ihrer Region durchsetzen. Frauen sollen vor die Wahl gestellt werden, den Herzschlag des Fötus anzuhören, einen 4D-Ultraschall oder eine Beratung zu absolvieren.

In Spanien treten führende Vertreter der Rechtspartei Vox für Maßnahmen gegen Schwangerschaftsabbrüche ein. Der seit einigen Monaten als Vize-Regierungschef der autonomen Gemeinschaft Kastilien und León amtierende Juan Garcia-Gallardo, sagte am Donnerstag, Ärzte und Gesundheitspersonal sollten abtreibungswilligen Frauen verpflichtend drei Optionen anbieten: den Herzschlag des Fötus hören, einen 4D-Ultraschall vornehmen lassen oder Unterstützung durch psychologische Beratung.

Die Maßnahmen dienten laut der kirchlichen Nachrichtenagentur Kathpress dazu, die Betroffenen von ihrem Vorhaben abzubringen, so der Politiker. Das sei mit dem Koalitionspartner in der Region Kastilien und León, der konservativen Partido Popular (PP), fest vereinbart. Es sei "überlebenswichtig", dass mehr Kinder geboren würden. Als Vorbild für diese Maßnahmen dient offenbar die neue Regelung in Ungarn, die seit September in Kraft ist. Frauen, die abtreiben lassen wollen, müssen sich dort künftig die Herztöne des Embryos in ihrem Bauch anhören.

Offensichtlich ist das Vorhaben des spanischen Rechtspolitikers Garcia-Gallardo eine direkte Reaktion auf die jüngste Reform der Abtreibungsregeln durch Spaniens nationale Linksregierung, die im Superwahljahr 2023 im Mittelpunkt vieler Wahlkampfdebatten steht. Ende Mai finden landesweit Gemeindewahlen und ein Dutzend Regionalwahlen statt; im Spätherbst stehen dann die wichtigen Parlamentswahlen an.

Regierungssprecherin verurteilt Pläne der Regionalregierung

Dementsprechend groß ist die Kritik der Regierung. Die von Konservativen und Rechtspopulisten regierte Region habe mit der Ankündigung schärferer Auflagen für Frauen sowie für Ärzte und Ärztinnen gegen die Verfassung sowie gegen das Abtreibungsgesetz verstoßen und damit ihre Kompetenzen überschritten, sagte Regierungssprecherin Isabel Rodríguez Dienstag.

Regierungschef Pedro Sánchez sagte am Rande des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos, es gehe um die Antwort auf die "eindeutige Verletzung eines Gesetzes zur Wahrung der Rechte von Frauen".

Abtreibung als kostenlose Gesundheitsleistung

Kurz vor Weihnachten hatte die regierenden Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sanchez mit ihrem linken Koalitionspartner Unidas Podemos sowie verschiedenen Regionalparteien eine gesellschaftlich sehr umstrittene Gesetzesänderung verabschiedet. Abtreibung soll demnach eine rechtlich garantierte und kostenlose Gesundheitsleistung werden, und alle staatlichen Krankenhäuser müssen Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Bereits Minderjährige ab 16 Jahren können dann innerhalb der ersten 14 Wochen ohne Einwilligung ihrer Erziehungsberechtigten einen Abbruch vornehmen lassen. Dafür benötigen sie nach dem Willen der Sozialisten keine medizinische oder psychologische Beratung mehr.

Die katholischen Bischöfe in Spaniens kritisierten die Reform schon im Sommer vehement. "Abtreibung kann niemals ein Recht" sein, hieß es in einer Erklärung der nationalen Bischofskonferenz. Am Freitag legten die Kirchenführer nach und veröffentlichten ein ausführliches Schreiben. "In der ganzen Welt verbreiten sich heute Gesetze, die der Vernunft, der Natur und dem Leben völlig zuwiderlaufen: Abtreibung, Scheidung, Homo-Ehe, Experimente mit menschlichen Embryonen, Leihmutterschaft, Transsexualität...", heißt es darin. Diese Vorgaben würden den Regierungen "von mächtigen globalen Finanzorganisationen aufgezwungen".

Thema wird 2023 immer wieder aufkommen

Auch die PP und die Rechtspopulisten haben sich klar gegen die Änderung der Abtreibungsregelungen durch die Zentralregierung positioniert. Da das Gesetz in den nächsten noch vom Senat bestätigt werden muss und 2023 ein einziger langer Wahlkampf sein wird, werden die Parteien das brisante Thema bei jeder Gelegenheit ansprechen. Obendrein sind in Spanien die Regionalregierungen für das Gesundheitssystem zuständig, was den dortigen Politikern allerhand Möglichkeiten gibt, das Vorhaben aus Madrid zu vereiteln.

In genau diesem Kontext ist der Vorstoß aus Kastilien-Leon zu sehen. Spaniens sozialistische Gesundheitsministerin Carolina Darias betonte am Freitag gegenüber der Zeitung "El Pais", ihre Regierung werde "die Rechte der Frauen verteidigen und keinen Rückschlag zulassen, der die sexuelle und reproduktive Gesundheit der Frauen in diesem Land bedroht".

Rechtliche Risiken für Ärzte

Vox-Politiker Garcia-Gallardo versicherte indes, dass in seiner Region Ärzte, die Abtreibungen ablehnen, besonders geschützt werden sollen. Zudem stellte er klar, dass betroffene Frauen in keinem Fall gezwungen würden, sich den Herzschlag anzuhören oder ein Ultraschallbild des ungeborenen Kindes anzusehen.

Experten sehen allerdings rechtliche Risiken für Mediziner. Wenn abtreibungswillige Frauen das Gefühl hätten, durch Maßnahmen der Ärzte stigmatisiert oder bedrängt zu werden, könnte dies strafrechtlich relevant sein, gab die auf Gesundheitsthemen spezialisierte Rechtsanwältin Nuria Amarilla zu bedenken.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Viktor Orbán
Ungarn

Mit „Herztönen“ gegen Abtreibungen

Ungarn. In Orbáns Ungarn wird das vergleichsweise liberale Abtreibungsrechtverschärft. Eine Debatte darüber gab es nicht. Nur eine Veröffentlichung im Amtsblatt.
Interview

Kataloniens Regionalpräsident: "Wir sind ja keine Extremisten"

Pere Aragonès, Regionalpräsident Kataloniens, plant ausgerechnet im spanischen Superwahljahr 2023 ein neues Unabhängigkeitsreferendum. Auch Massenproteste schließt er nicht aus. Ökonomische Folgen einer Krise mit Madrid fürchtet er nicht.
Archivbild vom spanischen Premierminister Pedro Sánchez.
Koalitionskrach

Die spanische Regierung streitet wegen progressivem Transgender-Gesetz

Die regierenden Sozialisten stimmten mit den Konservativen und Rechtspopulisten für eine Verlängerung von Änderungsanträgen im polemischen Transgender-Gesetz ihren linken Regierungspartners.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.