Interview

Noch ist die Krise nur in den Köpfen verankert

(c) Georg Wilke
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Viele Betriebe hätten die herausfordernden Corona-Jahre gut gemeistert, sagt KSV-CEO Ricardo-José Vybiral. Zurzeit herrscht in den Unternehmen aber eine negative Grundstimmung, die von Angst geprägt ist.

„Die Presse“: Herr Vybiral, mit ALC zeichnen wir die Unternehmenserfolge der vergangenen drei Jahre aus. Trotz Dauerpandemie, globaler Produktionsengpässe bei vielen Gütern und Vormaterialien sowie Lieferkettenprobleme haben sich die Leading Companies überraschend gut geschlagen.

Ricardo-José Vybiral: Weil sich viele Betriebe rasch angepasst haben, der Staat unterstützt hat und eine positive Konjunktur eingetreten ist. Auch 2022 ist für die meisten Branchen ein gutes Jahr gewesen. Der Aufschwung hat hineingewirkt und zu Beginn hatten viele Betriebe mehr Aufträge, als sie abarbeiten konnten. Das wird oft vergessen. Natürlich sind die Herausforderungen, vorrangig finanzielle, dann mehr und mehr geworden. Die Betriebe haben mit Preiserhöhungen reagiert, und das war auch notwendig. Aktuell ist die Krise aber vorrangig in den Köpfen der Manager verankert. Es herrscht eine negative Grundstimmung, die von Angst geprägt ist. Laut unserer jüngsten Austrian-Business-Check-Umfrage erwartet jeder zweite Befragte eine Verschlechterung des Zahlungsverhaltens. Wir werden sehen, wie es wirklich kommt.


Jetzt haben wir den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die resultierende Energiekrise und die hohe Inflation, weshalb Unruhe zu spüren ist. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Erfolge der Unternehmen anhalten können?

Das ist schwer zu prognostizieren. Aber die österreichischen Betriebe sind Sparmeister und haben Rücklagen. Auch Corona hat die Unternehmen „overall“ nicht ausbluten lassen – die Förderungen haben die meisten durch das Schlimmste durchgetragen. Ich denke, dass viele tatsächlich gut aufgestellt sind. Staatliche Unterstützungen sollte es zukünftig – im Unterschied zu den Coronahilfen – vorrangig für jene geben, die auch gute Fortbestandsprognosen haben. Es ist nicht populär zu sagen, aber es gibt einen Bodensatz an Unternehmen, die schon vor Corona nahe am Abgrund gewandelt sind – kommt es hier zu einer Bereinigung, dann sehe ich das nicht kritisch.


Im Vorjahr hatten wir fast 5000 Insolvenzen und 50.000 zusätzliche Geschäftsschließungen, da Eigentümer keinen Nachfolger finden, kein Personal – oder das Kapital wegen der Krisen verbraucht ist.

Ja, das Insolvenzgeschehen hat sich wieder beschleunigt. Es mag der Eindruck entstanden sein, dass es eine Welle gibt. Doch das stimmt nicht. Wir nähern uns bei den Unternehmenspleiten an das Vorkrisenniveau an. Die Zahlen sind damit absolut im Rahmen. Was wir schon beobachten, ist, dass die Zahl der mangels Masse abgewiesenen Konkursanträge hoch ist. Hier wird offensichtlich, dass die Unternehmen mit der Insolvenz zu lang warten. Wer frühzeitig anmeldet, hat die Chance auf eine Sanierung. Sind die Mittel erst aufgebraucht, dann bleibt nur mehr die Zerschlagung. Unser Rat ist also offenkundig. Bei den Schließungen wiederum ist die Lage anders. Während der Covid-19-Akutphase haben viele Betriebe die Türen länger offen gelassen als geplant. Sie haben die Förderungen „mitgenommen“, nun sehen wir einen starken Anstieg. Die Schließungen ziehen also nach.

Personal zu finden ist seit Jahren die große Herausforderung. Und es scheint nicht besser zu werden.

Im Rahmen unserer Austrian-Business-Check-Umfrage im Herbst haben wir erstmals festgestellt, dass die Firmen den Personalmangel als Nummer-eins-Herausforderung betrachten. Der über Jahrzehnte erwartete demografische Wandel ist jetzt da. Die Firmen kämpfen nicht mehr nur um die besten Köpfe, sondern um Personal generell. In Zeiten der Konjunktur verstärkt sich das Problem. Es ist nun entscheidend, auf zwei Pferde zu setzen: die Mitarbeiterbindung pushen und Prozesse konsequent automatisieren bzw. digitalisieren.


Einerseits ist die Digitalisierung ein enormer Turbo und hält viele Chancen bereit, andererseits sucht man händeringend IT-Kräfte für die Transformation, und das Problem Cybercrime sorgt für zusätzlichen Druck.

Cyber-Risken sind ein großes Problem für die Unternehmen, dennoch verschließt der Großteil die Augen vor dem „raketenhaften“ Anstieg der Angriffe. Wir haben darauf reagiert und in unsere Bonitätsauskünfte den Web Risk Indicator integriert, der einen ersten Hinweis auf die Sicherheit des Onlineauftritts eines Unternehmens gibt. Wer aber seine Systeme an einen potenziellen Partner anbinden möchte, dem empfehle ich, ein Cyber-Risk-Rating zu beauftragen.


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