Interview

Chefs sind gefordert, ESG zu Kernthema zu machen

(c) NADINE STUDENY
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Vorausschauende, flexible Planung wird für immer wichtiger, betont PwC-Österreich-CEO Rudolf Krickl. Die Erfolgsstrategien der letzten 50 Jahre werden nicht für die nächsten zehn Jahre reichen.

Herr Krickl, der Ausblick für das Jahr 2023 ist verhalten optimistisch. Jedoch ist das Rezessionsszenario noch nicht vom Tisch. Wie schätzt PwC die Entwicklung ein?

Rudolf Krickl: Unsere globale CEO Survey von PwC, die wir gerade veröffentlicht haben, zeigt: Fast die Hälfte der CEOs weltweit glaubt, dass ihr Unternehmen in zehn Jahren nicht mehr wirtschaftlich lebensfähig sein wird, wenn es seinen derzeitigen Kurs beibehält. Unternehmer:innen haben erkannt, dass sie das aktuelle Level an Disruption nicht durch Aussitzen oder geringfügige Kursanpassungen, sondern nur durch aktives Management meistern können. Die Strategien, mit denen ein Unternehmen in den letzten 50 Jahren erfolgreich war, werden nicht für die nächsten zehn Jahre reichen.


Die Pandemie, der russische Angriffskrieg und damit einhergehende Probleme in der Lieferkette oder Energieversorgung zwingen Unternehmen dazu, Prozesse komplett neu zu denken. Wie gut meistert unsere Wirtschaft diese und weitere „Akut-Transformationen“?

Für Unternehmenslenker:innen wird einerseits vorausschauende, andererseits flexible Planung immer wichtiger, vor allem wenn sich Krisen gegenseitig überlagern und die Gegenwart immer unübersichtlicher wird. Wir sehen erfreulicherweise, dass österreichische Unternehmen – insbesondere unsere Leading Companies – in der Lage sind, Geschäftsmodelle anzupassen und sich dadurch Wettbewerbsvorteile am Markt zu schaffen. Zentral ist, dass wir Vertrauen in die Veränderung und gemeinsame Lösungen fassen. Die großen Disruptionen können wir nur gemeinsam managen: Nicht nur für Kund:innen und Shareholder, sondern gemeinsam mit allen Akteuren eines Ökosystems.


Transformation, z. B. die digitale, kann auch Kehrseiten haben, etwa Einfallstore für Cyberangriffe. Wie können Unternehmen hier vor- und nachsorgen?

Es müssen geeignete Maßnahmen vorhanden sein, um mit jeder Art von Transformation Schritt zu halten. Im Bereich Cybersecurity kommt es vor allem auf Awareness und Readiness an. Beispielsweise in Form einer Notfallplanung mit klaren Playbooks, einem Überwachungsmodus, der Angriffe zuverlässig meldet sowie einer proaktiven Schwachstellenerkennung. Wie bei jeder Transformation ist auch hier die richtige Kombination von Talenten und Technologien der Schlüssel zum Erfolg.


Neben der digitalen Transformation müssen sich Unternehmen auch dem Wertekomplex ESG stellen. Warum ist die Auseinandersetzung mit ESG-Faktoren so wichtig und wo im Unternehmen sollte sie stattfinden?

Die grundlegendste Krise von allen ist die Klimakrise. Wir müssen sie zu unserer gemeinsamen Priorität machen. Ich begrüße es sehr, dass ökologische, soziale und Governance-Faktoren ganz nach oben auf der Unternehmensagenda rücken. Organisationen brauchen den richtigen Plan, um ihre ESG-Initiativen sinnvoll und effektiv zu steuern. Die ESG-Leistung muss mit gleicher Qualität wie die finanzielle Performance verfolgt und berichtet werden. Davon hängt nicht nur der Zugang zu Finanzierungsquellen ab, sondern auch die Wahrnehmung des Unternehmens auf dem Talentmarkt sowie in der breiteren Öffentlichkeit. Der C-Level ist gefordert, ESG in der Unternehmensstrategie zu verankern und sofort anzugehen.


Stichwort Nachhaltigkeitsbericht: Ab 2024 sind jährliche ESG-Berichte für Unternehmen ab 250 Beschäftigten und ab 40 Millionen Euro verpflichtend. In drei Jahren sollen dann die kapitalmarktorientierten KMU folgen. Was müssen Unternehmen jetzt tun, die noch kein ESG-Reporting haben oder planen?

Unternehmen brauchen – wie auch für das finanzielle Reporting – transparente, messbare Ziele und Kennzahlen. Und: Es benötigt Zeit, um Fortschritte messbar zu machen. Betriebe müssen besser heute als morgen beginnen, ihre ESG-Ziele in Zahlen zu übersetzen und valide Daten dazu zu erheben. Nur im Zeitverlauf kann ESG-Berichterstattung aussagekräftiger werden. In österreichischen Unternehmen ist die Begeisterung für Nachhaltigkeit zwar spürbar, vielen fehlt es jedoch noch an klaren Zielen und einem strukturierten Management. Beides ist ausschlaggebend, um die ESG-Transformation im eigenen Unternehmen zu meistern.


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