Gastbeitrag

Welche Wege führen zur Klimaneutralität?

Die Frage, was uns eher aus der Klimakrise bringt – ob Systemveränderung oder Technologiewechsel –, ist vermutlich die falsche. Passieren muss in jedem Fall etwas.

Als ich vor wenigen Tagen bei einem Abendessen wieder einmal in eine Diskussion zur Klimakrise schlitterte, meinte ich mich auf der sicheren Seite, da es diesmal keinen weißen alten männlichen Boomer gab, der philosophisch von oben herab erklärte, es sei überhaupt falsch, von einer Krise zu sprechen, da wir es doch mit einer langfristigen Veränderung des Klimas zu tun hätten, während das Wort Krise nur für kurzfristige plötzliche Ereignisse gelten dürfte, die uns unmittelbar betreffen.

Nein, diesmal waren sich die Diskutantinnen und Diskutanten einig, dass die wissenschaftlich seit Jahren abgesicherte drastische Veränderung des Klimas, die auf den menschlichen Einfluss zurückzuführen ist, eindeutig als Krise bezeichnet werden darf und soll. Weniger Einigkeit bestand allerdings in den erforderlichen Maßnahmen. Während die einen vom dringend nötigen Systemwechsel sprachen, vertraten die anderen die derzeit vor allem in konservativen Kreisen beliebte Position, entsprechende Technologie-Entwicklungen wären der einzige Weg, die Zukunft zu meistern.

Wenn man bei der Fraktion der Verfechter eines Systemwechsels nachfragt, versteht man, dass sich dieser angestrebte Wechsel primär aus der Kombination von Maßnahmen darstellt, die aus heutiger Sicht klar und nachvollziehbar wirken. Weder die zunehmende Zersiedelung mit einhergehender Bodenversiegelung (Österreich liegt dabei im europäischen Spitzenfeld), noch die industrialisierte Landwirtschaft mit allen Konsequenzen der Bodenzerstörung durch Pestizide und Dünger, noch die zu hohe motorisierte individuelle Mobilität können, wenn man den Stand der Wissenschaft ernst nimmt, heute noch verteidigt werden.
Es liegt auf der Hand, dass es gewisse Systemanpassungen braucht: Wir müssen unser Verhalten ändern – im Sinne einer Verdichtung des Lebens in urbanen Ballungszentren, einer sofortigen Beendigung der extremen Bodenversiegelung, einer Veränderung unseres Ernährungsverhaltens mit weniger Fleisch sowie einer Umstellung der motorisierten Mobilität weg von der Straße hin zu kürzeren Wegen zwischen Wohnen, Arbeiten und Freizeit –, um die nötigen und politisch beschlossenen Klimaziele überhaupt zu erreichen.

Ich würde es daher bevorzugen, von Systemanpassungen zu sprechen, die zwar bedeutend und umfassend sein werden, aber eine wirkliche Systemumstellung, die schon aufgrund des Namens Ängste auslöst und Widerstand erzeugt, sehe ich auch bei Umsetzung aller oben genannten Maßnahmen nicht.

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